Mittelschwaebische Nachrichten
Psychologie des Klimawandels
Was hindert uns, unser Verhalten zu ändern, wenn wir uns der Probleme doch bewusst sind?
Das Thema Klimaschutz treibt die Menschen in Deutschland um wie nie. Doch Anspruch und Wirklichkeit klaffen weit auseinander. Unter Psychologen ist diese Diskrepanz als „Attitude-Behaviour-Gap“bekannt: Einstellungs-Verhaltens-Lücke. Mehrere psychologische Hürden stehen klimaschonendem Verhalten im Weg.
In einer Umfrage des Umweltbundesamtes (Uba) stuften zwei von drei Menschen in Deutschland Umweltund Klimaschutz als sehr wichtige Herausforderung ein – der Klimaschutz toppte damit Sicherheit, Migration und Arbeitslosigkeit. „Der Stellenwert von Umweltund Klimaschutz hat zugenommen“, heißt es vom Uba. Die Bevölkerung sei durchaus bereit, eigene Beiträge zu leisten. Doch folgen auch Taten? Die Umfrage zeigt, dass Umweltbewusstsein und Verhalten recht weit auseinanderliegen. Eine ähnliche Diskrepanz zeigte eine Umfrage der dpa und der Meinungsforscher von Yougov. Demnach kann sich fast jeder Zweite vorstellen, der Umwelt zuliebe auf eine Flugreise zu verzichten – doch nur jeder Fünfte hat es schon getan.
Schon vor knapp 30 Jahren entwickelte der US-Sozialpsychologe Icek Ajzen die „Theorie des geplanten Verhaltens“. Demnach können „subjektive Normen“einen Menschen bremsen, also erwartete Reaktionen der Umwelt: Halten mich Freunde und Familie für einen Ökofreak, wenn ich verpackungsfrei einkaufe oder ein Lastenrad leihe, um das Auto stehen zu lassen? Ähnlich wichtig ist das Verhalten anderer. Beispiele dafür liefern Studien des Marketing-Psychologen Robert Cialdini. So warfen Menschen in einem Parkhaus eher Müll auf den Boden, wenn der ohnehin schon zugemüllt war. Oder passten ihren Energieverbrauch an, wenn sie den Verbrauch ihrer Nachbarn erfuhren. Beim Klimaschutz kommt hinzu, dass das Problem so groß erscheint, dass die eigenen Maßnahmen als wirkungslos wahrgenommen werden. Und: „Wenn nur ich mich einschränke und die anderen nicht, bin ich der Dumme.“
Laut Psychologen ist auch wichtig, ob ein Verhalten überhaupt machbar erscheint. In der Theorie des geplanten Verhaltens heißt das „wahrgenommene Verhaltenskontrolle“. Gibt es in einer Region keinen öffentlichen Nahverkehr und ist man nicht gesund genug zum Radfahren, bleibt manchmal nur das Auto. Dabei gibt es nicht nur objektive Hürden: Wer hat schon die Kraft und das Geld, um immer ein perfekter Umweltschützer zu sein? Gegenüber dem Uba begründeten die meisten regelmäßigen Autofahrer ihre Fahrten mit Zeitersparnis.
Aber was kann man tun, um den inneren Schweinehund beim Thema Klimaschutz zu überwinden? Marcel Hunecke, Umweltpsychologe an der FH Dortmund, empfiehlt, zunächst kleine Schritte zu machen. „Man muss positive Erfahrungen sammeln. Als reines Verzichtsprogramm wird das nicht funktionieren“. Motiv-Allianzen könnten helfen, also: Klimaschutz mit positiven Effekten wie Gesundheit oder Lebensqualität zu verbinden. Warum nicht Erholungsurlaub in Brandenburg statt eine Safari in Südafrika?
Der Sozialpsychologe Sebastian Bamberg von der FH Bielefeld sagt: „Hilfreich ist, sich einen Plan zu machen, was man tut, wenn plötzlich eine Hürde auftaucht und man wieder ins alte Verhalten fallen will.“Ähnlich wie bei einer Suchttherapie. Allerdings sei das enorm aufwendig. Manchmal sind andere Dinge für Menschen schlicht wichtiger als Klimaschutz. Scheint der Schulweg des Kindes mit dem Rad zu gefährlich, tendieren Eltern eventuell trotz Abgasen zum Auto. Lebt die große Liebe in Übersee, dürfte selbst ein engagierter Klimaschützer in den Flieger steigen.
Und ein Paradox namens „unrealistischer Optimismus“erschwert den Umweltschutz: Menschen sind für ihr eigenes Leben optimistischer als für andere Menschen – das schmälert den Handlungsdruck. So hielt in der Uba-Befragung fast jeder Befragte die Umweltqualität weltweit für schlecht. Auch für Deutschland schätzen zwei von fünf Menschen die Qualität als schlecht ein. Doch nur gut halb so viele sahen die Probleme für die eigene Gemeinde. Insgesamt hat der Umweltpsychologe Robert Gifford 29 Handlungshürden ausgemacht. Nicht zuletzt spielt Gewohnheit eine große Rolle, meint er. „Gewohnheiten mögen nicht die glamouröse Hürde sein, aber vielleicht die wichtigste für die Linderung der Klimawandelfolgen.“Vanessa Köneke