Mittelschwaebische Nachrichten
Wohin mit den Hübschlerinnen?
Ob es wirklich das älteste Gewerbe der Welt ist, sei dahingestellt. Sicher ist, dass selbst die strenge Kirche des Mittelalters kein Kraut gegen die Prostitution kannte und sie halb offiziell duldete. Bei kirchlichen Konzilen herrschte ein durchaus gern gesehener Andrang sogenannter Hübschlerinnen.
Warum Hübschlerinnen? Weil sie so hübsch waren? In gewissem Sinne: ja. Sie unterlagen, wie alle Stände im Mittelalter, einer Kleiderordnung. Sittsame Mädchen und Frauen hatten sich – eben – sittsam zu kleiden, in dezenten Farben und ohne auffälligen Schmuck. Hübschlerinnen hingegen durften sich nicht nur aufhübschen, sie mussten es sogar – als Zeichen ihrer Zunft. Sie waren gezwungen, Tücher, Bänder und dergleichen in leuchtenden Farben zu tragen. Das war keine reine Freude, denn die Farben, die sie trugen, galten als Schandfarben. Vor allem Gelb, aber auch Rot und Grün.
Viele der Schandfarben tragenden Damen waren ganz offiziell in sogenannten Frauenhäusern untergebracht und oft so sehr dienstverpflichtet, dass sie keinen Besucher ablehnen durften. Ein freudloses Leben, zumal sie meist vom Hausherrn, der sich Frauenwirt nannte, ausgebeutet wurden. Allerdings waren sie nicht ganz wehrlos. In Nördlingen klagte eine Hübschlerin gegen ihren Frauenwirt, der sie gezwungen hatte, am heiligen Sonntag ihrem Gewerbe nachzugehen. Das verstieß gegen die Regeln, die die Kirche für Bewohnerinnen der Frauenhäuser festgelegt hatte. Auch von einem Abtreibungstrank war die Rede. Der Frauenwirt und seine Frau mussten nach öffentlicher Bestrafung die Stadt verlassen. Neben der Duldung, die mancher Kirchenmann durchaus aktiv nutzte, gab es Bemühungen, die Hübschlerinnen auf den Pfad der Tugend zurückzuführen: in Reuerinnen-Klöster. 1224 entstand in Worms ein Kloster für reuige Dirnen. Ihre Schutzheilige war die bekehrte Sünderin Maria Magdalena. Bald folgten weitere Magdalenerinnen-Konvente.
Die Hübschlerinnen, die nicht reuig ins Kloster gingen, pflegten weiter die alte Sitte, mit der sie potenziellen Freiern signalisierten, dass sie empfangsbereit waren: Sie hingen einen Vogelkäfig vor ihr Fenster. Gelegentlich sollen auch gutbürgerliche Frauen ihrem Liebhaber mit dem Vogelkäfig signalisiert haben, dass ihr Mann aushäusig ist. Womöglich bei einer Hübschlerin?