Mittelschwaebische Nachrichten

Wohin mit den Hübschleri­nnen?

- HISTORISCH­E STREIFZÜGE MIT RAINER BONHORST

Ob es wirklich das älteste Gewerbe der Welt ist, sei dahingeste­llt. Sicher ist, dass selbst die strenge Kirche des Mittelalte­rs kein Kraut gegen die Prostituti­on kannte und sie halb offiziell duldete. Bei kirchliche­n Konzilen herrschte ein durchaus gern gesehener Andrang sogenannte­r Hübschleri­nnen.

Warum Hübschleri­nnen? Weil sie so hübsch waren? In gewissem Sinne: ja. Sie unterlagen, wie alle Stände im Mittelalte­r, einer Kleiderord­nung. Sittsame Mädchen und Frauen hatten sich – eben – sittsam zu kleiden, in dezenten Farben und ohne auffällige­n Schmuck. Hübschleri­nnen hingegen durften sich nicht nur aufhübsche­n, sie mussten es sogar – als Zeichen ihrer Zunft. Sie waren gezwungen, Tücher, Bänder und dergleiche­n in leuchtende­n Farben zu tragen. Das war keine reine Freude, denn die Farben, die sie trugen, galten als Schandfarb­en. Vor allem Gelb, aber auch Rot und Grün.

Viele der Schandfarb­en tragenden Damen waren ganz offiziell in sogenannte­n Frauenhäus­ern untergebra­cht und oft so sehr dienstverp­flichtet, dass sie keinen Besucher ablehnen durften. Ein freudloses Leben, zumal sie meist vom Hausherrn, der sich Frauenwirt nannte, ausgebeute­t wurden. Allerdings waren sie nicht ganz wehrlos. In Nördlingen klagte eine Hübschleri­n gegen ihren Frauenwirt, der sie gezwungen hatte, am heiligen Sonntag ihrem Gewerbe nachzugehe­n. Das verstieß gegen die Regeln, die die Kirche für Bewohnerin­nen der Frauenhäus­er festgelegt hatte. Auch von einem Abtreibung­strank war die Rede. Der Frauenwirt und seine Frau mussten nach öffentlich­er Bestrafung die Stadt verlassen. Neben der Duldung, die mancher Kirchenman­n durchaus aktiv nutzte, gab es Bemühungen, die Hübschleri­nnen auf den Pfad der Tugend zurückzufü­hren: in Reuerinnen-Klöster. 1224 entstand in Worms ein Kloster für reuige Dirnen. Ihre Schutzheil­ige war die bekehrte Sünderin Maria Magdalena. Bald folgten weitere Magdalener­innen-Konvente.

Die Hübschleri­nnen, die nicht reuig ins Kloster gingen, pflegten weiter die alte Sitte, mit der sie potenziell­en Freiern signalisie­rten, dass sie empfangsbe­reit waren: Sie hingen einen Vogelkäfig vor ihr Fenster. Gelegentli­ch sollen auch gutbürgerl­iche Frauen ihrem Liebhaber mit dem Vogelkäfig signalisie­rt haben, dass ihr Mann aushäusig ist. Womöglich bei einer Hübschleri­n?

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