Mittelschwaebische Nachrichten
4000 Jahre soziale Ungleichheit
Eine wohlhabende Kernfamilie, die mit sozial niedriger gestellten Menschen unter einem Dach lebte: Schon in der Bronzezeit und damit vor 4000 Jahren herrschte offenbar soziale Ungleichheit, die sich innerhalb eines Haushalts über Generationen hielt. Das berichten Forscher des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte in Jena, der Universität Tübingen und der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) im Fachblatt Science.
Ausgrabungen im Lechtal südlich von Augsburg zeichnen das Bild einer Gesellschaft mit komplexer Sozialstruktur, in der Besitz und Status vererbt wurden. Für die Studie analysierte das Team um die Humangenetikerin Alissa Mittnik sowie die Archäologen Philipp Stockhammer und Johannes Krause Überreste aus bronzezeitlichen Gräberfeldern im bayerischen Lechtal. Als Bronzezeit wird für Mitteleuropa der Zeitraum zwischen 2200 bis 800 vor Christus bezeichnet, als Menschen die Fähigkeit erwarben, Bronze zu gießen – mit weitreichenden Folgen für die damaligen Gesellschaften.
Die Wissenschaftler untersuchten nicht nur die Grabbeigaben, sondern auch genetische Daten von 104 Individuen, um die Verwandtschaftsverhältnisse festzustellen. Die kombinierten Erkenntnisse: „Reichtum korrelierte entweder mit biologischer Verwandtschaft oder Herkunft aus der Ferne. Die Kernfamilie vererbte ihren Besitz und Status weiter“, erklärt Stockhammer von der LMU. „Aber in jedem Bauernhof haben wir auch arm ausgestattete Personen lokaler Herkunft gefunden.“Solche komplexe Strukturen des Zusammenlebens sind aus dem alten Rom oder dem klassischen Griechenland bekannt. Die Menschen im Lechtal lebten jedoch mehr als 1500 Jahre früher. „Das zeigt erstmals, wie lang die Geschichte sozialer Ungleichheit in Familienstrukturen zurückreicht.“
Abzulesen sind diese an Grabbeigaben: für sozial höher gestellte Männer vor allem Waffen wie Dolche, Äxte oder Pfeilspitzen, für Frauen mit einem hohen sozialen Rang aufwendiger Kopfschmuck oder große Beinringe. Direkt daneben fanden die Wissenschaftler arm bestattete, nicht-verwandte Mitglieder in den Haushalten. Sicher sei, dass über die männlichen Linien die Bauernhöfe über viele Generationen hin vererbt wurden und dieses System über 700 Jahre stabil war. „Das Lechtal zeigt, wie tief in die Vergangenheit die Geschichte sozialer Ungleichheit innerhalb einzelner Haushalte tatsächlich zurückreicht.“