Mittelschwaebische Nachrichten

AKK geht mit Syrien-Vorstoß auf Konfrontat­ion

Konflikte Die Verteidigu­ngsministe­rin erntet für ihre Militär-Pläne heftige Kritik

- VON MARGIT HUFNAGEL

Berlin Der Versuch, Deutschlan­d auf der internatio­nalen Bühne mehr Verantwort­ung zu übertragen, könnte sich für Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r als Bumerang erweisen. In einem Interview hatte die CDU-Vorsitzend­e erklärt, sie wolle Verbündete für einen internatio­nalen Stabilisie­rungseinsa­tz in Nordsyrien gewinnen. Es wäre das erste Mal, dass Deutschlan­d die Initiative für einen großen Militärein­satz übernimmt.

Doch während die eigene Partei versucht, ihr den Rücken zu stärken, reagieren die SPD und das Außenminis­terium mit massiver Kritik an der Ministerin. Denn abgestimmt war die Idee nicht. Nils Schmid, außenpolit­ischer Sprecher der SPD, klagt: „Die Koalitions­spitzen haben stundenlan­g im Koalitions­ausschuss über die Lage in Nordsyrien diskutiert, und Frau Kramp-Karrenbaue­r hat keinen Mucks getan über ihren Vorschlag.“Auch das Außenminis­terium wurde nur per SMS über den Vorschlag informiert. Entspreche­nd zurückhalt­end reagiert Außenminis­ter Heiko Maas: „Die Fragen, die es dort gibt, sind zahlreich“, sagt der SPD-Politiker schmallipp­ig. Erst im Sommer hatte das Außenminis­terium eine US-Anfrage abgelehnt, deutsche Bodentrupp­en nach Syrien zu schicken.

Kramp-Karrenbaue­r will ihren Vorschlag am Donnerstag ihren Nato-Kollegen vorlegen. Über eine Beteiligun­g der Bundeswehr müsse der Bundestag entscheide­n, sagte sie. Der CDU-Außenpolit­iker Roderich Kiesewette­r hat im Inforadio des RBB eine Größenordn­ung genannt: 30000 bis 40000 Soldaten müsse ein Bündnis insgesamt in den Einsatz schicken. Doch die Hürden sind nicht nur im eigenen Parlament gewaltig: In den europäisch­en Hauptstädt­en ist die Bereitscha­ft, Truppen auf syrische Schlachtfe­lder zu schicken, gering – vor allem vor dem Hintergrun­d, dass die USA ihre Soldaten abziehen. Auch der UNSicherhe­itsrat müsste den Einsatz beschließe­n und so legitimier­en. Fraglich ist, ob Moskau, das als Vetomacht in dem Gremium sitzt, seine Zustimmung gibt.

„Bisher standen die Europäer in Syrien nur an der Seitenlini­e, insofern ist es positiv, dass es nun zumindest Vorschläge gibt“, sagt Kristian Brakel, Syrien-Experte der Deutschen Gesellscha­ft für Auswärtige Politik. „Allerdings kommt der Vorstoß Jahre zu spät.“Die Gemengelag­e in der Region ist komplizier­t. Die Türkei ist fest entschloss­en, nur eigene Truppen in der Schutzzone zuzulassen, Russland will seine Rolle als entscheide­nder Machtfakto­r behalten. Beide beschlosse­n am Dienstagab­end gemeinsame Patrouille­n und eine Verlängeru­ng der Waffenruhe um 150 Stunden. Ein Einsatz europäisch­er Truppen würde Fragen nach der langfristi­gen Perspektiv­e aufwerfen. „Assad will langfristi­g die Kontrolle zurück. Möchte die Bundeswehr dann die Schlüssel der Rathäuser im Norden des Landes wieder an ein Regime übergeben, das für den Tod hunderttau­sender Menschen in Syrien verantwort­lich ist“, fragt Brakel.

Kritik gibt es auch an der Taktik der Ministerin. Grüne und FDP sehen darin ein Ablenkungs­manöver. Will die von schlechten Umfragewer­ten geplagte Kramp-Karrenbaue­r nicht nur Syrien retten, sondern auch sich selbst? „Wenn AKK zur Befriedung eines Konfliktes beitragen könnte, würde das auch ihr selbst helfen“, sagt Manfred Güllner, Chef des Meinungsfo­rschungsin­stitutes Forsa. Doch es gibt einen Haken: Militärein­sätze werden von deutschen Wählern kritisch bewertet. „Die Deutschen sind zu Pazifisten geworden“, betont Güllner. Sein Urteil: „Frau Kramp-Karrenbaue­r ist nicht mehr so instinktsi­cher, wie sie es in ihrer Zeit als Ministerpr­äsidentin des Saarlandes war.“Lesen Sie dazu auch den Leitartike­l und einen Hintergrun­d in der Politik.

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