Mittelschwaebische Nachrichten
AKK geht mit Syrien-Vorstoß auf Konfrontation
Konflikte Die Verteidigungsministerin erntet für ihre Militär-Pläne heftige Kritik
Berlin Der Versuch, Deutschland auf der internationalen Bühne mehr Verantwortung zu übertragen, könnte sich für Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer als Bumerang erweisen. In einem Interview hatte die CDU-Vorsitzende erklärt, sie wolle Verbündete für einen internationalen Stabilisierungseinsatz in Nordsyrien gewinnen. Es wäre das erste Mal, dass Deutschland die Initiative für einen großen Militäreinsatz übernimmt.
Doch während die eigene Partei versucht, ihr den Rücken zu stärken, reagieren die SPD und das Außenministerium mit massiver Kritik an der Ministerin. Denn abgestimmt war die Idee nicht. Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD, klagt: „Die Koalitionsspitzen haben stundenlang im Koalitionsausschuss über die Lage in Nordsyrien diskutiert, und Frau Kramp-Karrenbauer hat keinen Mucks getan über ihren Vorschlag.“Auch das Außenministerium wurde nur per SMS über den Vorschlag informiert. Entsprechend zurückhaltend reagiert Außenminister Heiko Maas: „Die Fragen, die es dort gibt, sind zahlreich“, sagt der SPD-Politiker schmallippig. Erst im Sommer hatte das Außenministerium eine US-Anfrage abgelehnt, deutsche Bodentruppen nach Syrien zu schicken.
Kramp-Karrenbauer will ihren Vorschlag am Donnerstag ihren Nato-Kollegen vorlegen. Über eine Beteiligung der Bundeswehr müsse der Bundestag entscheiden, sagte sie. Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter hat im Inforadio des RBB eine Größenordnung genannt: 30000 bis 40000 Soldaten müsse ein Bündnis insgesamt in den Einsatz schicken. Doch die Hürden sind nicht nur im eigenen Parlament gewaltig: In den europäischen Hauptstädten ist die Bereitschaft, Truppen auf syrische Schlachtfelder zu schicken, gering – vor allem vor dem Hintergrund, dass die USA ihre Soldaten abziehen. Auch der UNSicherheitsrat müsste den Einsatz beschließen und so legitimieren. Fraglich ist, ob Moskau, das als Vetomacht in dem Gremium sitzt, seine Zustimmung gibt.
„Bisher standen die Europäer in Syrien nur an der Seitenlinie, insofern ist es positiv, dass es nun zumindest Vorschläge gibt“, sagt Kristian Brakel, Syrien-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. „Allerdings kommt der Vorstoß Jahre zu spät.“Die Gemengelage in der Region ist kompliziert. Die Türkei ist fest entschlossen, nur eigene Truppen in der Schutzzone zuzulassen, Russland will seine Rolle als entscheidender Machtfaktor behalten. Beide beschlossen am Dienstagabend gemeinsame Patrouillen und eine Verlängerung der Waffenruhe um 150 Stunden. Ein Einsatz europäischer Truppen würde Fragen nach der langfristigen Perspektive aufwerfen. „Assad will langfristig die Kontrolle zurück. Möchte die Bundeswehr dann die Schlüssel der Rathäuser im Norden des Landes wieder an ein Regime übergeben, das für den Tod hunderttausender Menschen in Syrien verantwortlich ist“, fragt Brakel.
Kritik gibt es auch an der Taktik der Ministerin. Grüne und FDP sehen darin ein Ablenkungsmanöver. Will die von schlechten Umfragewerten geplagte Kramp-Karrenbauer nicht nur Syrien retten, sondern auch sich selbst? „Wenn AKK zur Befriedung eines Konfliktes beitragen könnte, würde das auch ihr selbst helfen“, sagt Manfred Güllner, Chef des Meinungsforschungsinstitutes Forsa. Doch es gibt einen Haken: Militäreinsätze werden von deutschen Wählern kritisch bewertet. „Die Deutschen sind zu Pazifisten geworden“, betont Güllner. Sein Urteil: „Frau Kramp-Karrenbauer ist nicht mehr so instinktsicher, wie sie es in ihrer Zeit als Ministerpräsidentin des Saarlandes war.“Lesen Sie dazu auch den Leitartikel und einen Hintergrund in der Politik.