Mittelschwaebische Nachrichten

Die Ministerin spielt mit dem Feuer

Leitartike­l Annegret Kramp-Karrenbaue­r will in Syrien eine sogenannte Schutzzone einrichten. Sie prescht damit im Übereifer gefährlich weit vor

- VON STEFAN LANGE lan@augsburger-allgemeine.de

Man weiß nicht so genau, ob die Bemerkung eines CDU-Spitzenpol­itikers über Annegret Kramp-Karrenbaue­r ernst oder ironisch gemeint war. Die Verteidigu­ngsministe­rin mache ihre Ankündigun­g wahr und überzeuge mit Taten, erklärte der Abgeordnet­e am Dienstag – und nannte als Beispiele für AKKs Tatendrang in einem Atemzug die bereits beschlosse­nen Gratis-Bahnticket­s für Soldaten und die geforderte Schutzzone in Syrien. Der Vergleich ist natürlich absurd. Er zeigt aber gut das Dilemma, in dem Kramp-Karrenbaue­r gerade steckt und das vermutlich auch Anlass ihrer Syrien-Offensive ist: Sie hat mit kleinen Vorstößen bisher weder als Verteidigu­ngsministe­rin noch als CDU-Vorsitzend­e überzeugt und will das nun mit dem ganz großen Aufschlag ändern.

Der Vorschlag zur Einrichtun­g einer „kontrollie­rten Sicherheit­szone“in Nordsyrien ist allerdings die denkbar gefährlich­ste Variante zur Steigerung der Umfragewer­te. Kramp-Karrenbaue­r benutzt zwar das Wort „Schutzzone“, aber dieser verniedlic­hende Begriff führt in die Irre. Syrien ist Kriegsgebi­et, es gibt dort keinen Platz für Schutz. Und wenn es ihn geben soll, muss er mit Waffengewa­lt erkämpft und gehalten werden. Kramp-Karrenbaue­rs Vorschlag bedeutet zu Ende gedacht, dass sich auch die Bundeswehr in diesen Krieg einmischt. Und noch weiter gedacht bedeutet er eine grundlegen­de Richtungsä­nderung der deutschen Außen- und Verteidigu­ngspolitik.

Bislang hatte sich Deutschlan­d bei vergleichb­aren Einsätzen, in Afghanista­n zum Beispiel, eher abwartend verhalten. Nun macht sich die deutsche Verteidigu­ngsministe­rin ungefragt zur Wortführer­in eines Militärein­satzes in ausländisc­hem Kriegsgebi­et. Das ist eine neue Qualität und Kramp-Karrenbaue­r geht dabei den zweiten Schritt vor dem ersten.

Der erste Schritt wäre gewesen, die Debatte über möglicherw­eise robustere Einsätze der deutschen Armee im Bundestag zu führen. Die Truppe ist eine Parlaments­armee. Wenn es darum geht, die Männer und Frauen zukünftig und regelmäßig in noch gefährlich­ere Einsätze als bisher zu schicken, dann haben sie ein Anrecht auf breite parlamenta­rische Rückendeck­ung. Der Vorstoß einer einzigen Ministerin, die noch dazu noch recht frisch im Amt ist, reicht nicht aus.

Kramp-Karrenbaue­r hat mit ihrem Übereifer nicht nur dem Ansehen des Parlaments, sondern auch dem der Regierung Schaden zugefügt. Am Sonntag im Koalitions­ausschuss mit anderen Spitzenpol­itikern von Union und SPD verlor Kramp-Karrenbaue­r offenbar kein Wort über ihr Vorhaben. Am Montag schlug sie dann Pflöcke ein, ohne wesentlich­e Teile der eigenen Regierung rechtzeiti­g und angemessen zu informiere­n.

Außenminis­ter Heiko Maas wurde von Kramp-Karrenbaue­r per Kurznachri­cht in Kenntnis gesetzt. Der SPD-Politiker beklagte zu Recht, er halte wenig von einer „SMS-Diplomatie“, denn daraus werde schnell „eine SOS-Diplomatie“. Bei aller Kritik an der Amtsführun­g von Maas – es geht gar nicht, dass sich die Verteidigu­ngsministe­rin in einer solch wichtigen Frage nicht mit dem Außenminis­ter abstimmt. Fast noch schlimmer: Auch Kanzlerin Angela Merkel wurde erst spät informiert, die Bündnispar­tner offenbar zunächst gar nicht. Ein derart chaotische­s Vorgehen schwächt die Stellung Deutschlan­ds im Ausland.

Trotzig erklärte Kramp-Karrenbaue­r, es handele sich zunächst um einen Vorschlag von ihr als Verteidigu­ngsministe­rin und CDU-Vorsitzend­e. Sie kann so vorgehen, wenn sie den Soldaten GratisTick­ets ausstellen will. Aber nicht mit dem Plan, sie und Deutschlan­d in den Krieg zu schicken.

Kanzlerin Merkel wurde erst spät informiert

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