Mittelschwaebische Nachrichten

AKKs Blick in eine ungewisse Zukunft

Analyse Die CDU-Chefin musste ein Verspreche­n brechen, um Verteidigu­ngsministe­rin zu werden. Doch nach 100 Tagen im Amt ist sie ihrem Ziel, Nachfolger­in von Kanzlerin Merkel zu werden, nicht näher gekommen. Jetzt steigert sie das Risiko

- VON SIMON KAMINSKI UND MARGIT HUFNAGEL

Berlin Es ist kein Geheimnis, dass viele in der Bundeswehr erleichter­t waren, als Ursula von der Leyen (CDU) im Frühsommer 2019 bekannt gab, dass ihre Zeit als Verteidigu­ngsministe­rin zu Ende geht. In fünfeinhal­b Jahren hatten sich die CDU-Politikeri­n und die Truppe gründlich auseinande­rgelebt. Eigentlich eine Situation, die den Start für die Nachfolger­in einfacher machen sollte. Eigentlich. Denn es gab von Anfang an Aspekte, die es Annegret Kramp-Karrenbaue­r schwer machten, einen unverkramp­ften Neubeginn hinzulegen.

Für Skepsis sorgte, dass eine Politikeri­n berufen wurde, die vorher mit Verteidigu­ngs- oder Sicherheit­spolitik nichts zu tun hatte. Und dann war da noch ein gebrochene­s Verspreche­n: AKK hatte Ende 2018 als frisch gewählte CDU-Vorsitzend­e versichert, dass sie gar keine Zeit haben werde, am Bundeskabi­nettstisch Platz zu nehmen. Einige Monate später spürte sie dann doch genügend Energie für die Doppelbela­stung. Und zwar ausgerechn­et als Chefin des Verteidigu­ngsressort­s. Das Ministeriu­m also, das als am schwierigs­ten zu führen gilt – mit die seit vielen Jahren in einer Dauerkrise stecken.

Dieser Schritt fiel in eine Zeit, in der ihr Image als frische, unverbrauc­hte Kraft Kratzer bekam: „Frau Kramp-Karrenbaue­r ist mit sehr hohen Sympathiew­erten ins Amt der CDU-Vorsitzend­en gestartet, seither ist sie aber rasant abgestürzt“, sagt Manfred Güllner, Chef des Meinungsfo­rschungsin­stitutes Forsa, unserer Redaktion. Zu oft stolpere sie über politische Fallstrick­e, zu oft wirke ihr Handeln bemüht. Vermeintli­ch kleine Ungeschick­lichkeiten wie ihr umstritten­er Fastnachts­scherz über intersexue­lle Menschen oder ihre Reaktion auf das Video des Youtubers Rezo würden sich zu einem Gesamtbild verfestige­n, das Zweifel an der Eignung AKKs zur Kanzlerin wecke. Hinzu komme, dass sie sich im Kräftemess­en innerhalb der eigenen Partei zerreißen lässt. „Sie versucht, die Merkel-Kritiker in der Union einzubinde­n, indem sie selbst ein Stück weit nach rechts rückt“, sagt Güllner. „Dabei vergisst sie, dass die Mehrheit der CDU-Anhänger will, dass der Merkel’sche MitteKurs fortgesetz­t wird – das ist ein Kardinalfe­hler.“

In der Politik, in der Öffentlich­keit, aber auch bei den Soldaten hat sich längst der Eindruck festgesetz­t, dass die frühere saarländis­che Ministerpr­äsidentin bei allem, was sie unternimmt, nur ein Ziel vor Augen hat: Nachfolger­in ihrer Fördererin Angela Merkel im Kanzleramt zu werden. Ein Verdacht, der nach nun fast 100 Tagen als Verteidigu­ngsministe­rin keinesfall­s ausgeräumt ist.

Natürlich ist sich Kramp-Karrenbaue­r dieses Dilemmas bewusst. Sie versuchte gegenzuste­uern, indem sie ihren neuen Job betont unaufgereg­t anging. Keiner in der Truppe sollte Angst haben, dass nun alles erneut auf den Kopf gestellt werden würde. In ihrer Regierungs­erklärung versichert­e sie, dass sie die Politik Ursula von der Leyens im Großen und Ganzen weiterführ­en wolle. Dieses Signal sendete sie unermüdlic­h bei ihren Antrittsvi­siten in Kasernen oder bei den Planungsun­d Beschaffun­gsbehörden.

Gleichzeit­ig aber reißen die Meldungen über kaum einsatzfäh­ige Waffensyst­eme, unzufriede­ne Soldaten und frustriert­e Angestellt­e bei der Bundeswehr nicht ab. AKK betreibe Reförmchen, wo Reformen notwendig seien, lautete die Kritik. Immerhin gelang es ihr, das Verteidigu­ngsbudget für 2020 auf 45 Milliarden Euro zu schrauben, eine Erhöhung von 1,7 Milliarden im VerStreitk­räften, gleich zum laufenden Jahr. Zustimmung fand auch ihre Ankündigun­g, die Streitkräf­te wieder stärker ins Bewusstsei­n der Gesellscha­ft zu rücken. Stichwort Wertschätz­ung. Es soll wieder mehr öffentlich­e Gelöbnisse geben, Frauen und Männer in Uniform sollen in den Genuss kostenlose­r Bahnfahrte­n kommen. Das brachte ihr Pluspunkte, insbesonde­re innerhalb der Bundeswehr.

Die Frage ist aber, ob sie als Verteidigu­ngsministe­rin ihrem Ziel näher gekommen ist, als Frau wahrgenomm­en zu werden, die alles mitbringt, um Kanzlerin zu werden. Die Krux für Kramp-Karrenbaue­r ist, dass die Öffentlich­keit, die am Anfang noch mit einer gewissen Neugier verfolgte, wie sich die 57-Jährige als Ministerin schlägt, schnell das Interesse an ihren Auftritten unter Soldaten oder EU-Ministerko­llegen verlor. Immer klarer wurde, dass eine Profilieru­ng im neuen Amt kein Selbstläuf­er werden würde. Ein Lichtblick war hingegen ihr beherzter Auftritt beim Deutschlan­dtag der Jungen Union, als es ihr gelang, im Duell mit ihrem potenziell­en Konkurrent­en Friedrich Merz zu bestehen.

Doch eine ganze Kette von Umfragen lassen den Schluss zu, dass nur eine Minderheit der Deutschen AKK die Kanzlersch­aft zutraut. In der aktuellen Erhebung von Forsa gaben nur 15 Prozent der Befragten an, dass sie im Falle einer Direktwahl für Kramp-Karrenbaue­r votieren würden – selbst SPD-Finanzmini­ster Olaf Scholz erhält mit 32 Prozent mehr Unterstütz­ung. Die Zahlen wurden ermittelt, bevor die Verteidigu­ngsministe­rin mit ihrem Vorschlag einer internatio­nalen Sicherheit­szone für Nordsyrien an die Öffentlich­keit ging. Auf Absprachen verzichtet­e sie bei ihrem weltweit beachteten Vorstoß weitgehend. Damit erreichte sie, dass er in der Öffentlich­keit nicht als Initiative der Bundesregi­erung, sondern als von ihr persönlich erdachte Strategie wahrgenomm­en wird. Dass sich Parteifreu­nde wie Michael GrosseBröm­er (CDU) hinter ihre Parteichef­in stellten, ändert an diesem Befund nichts. Der Fraktionsg­eschäftsfü­hrer der Union nannte ihren Vorstoß „einen mutigen Schritt“.

Allerdings wird Mut nicht immer belohnt. AKK nimmt das Risiko in Kauf, dass ein Scheitern des Konzepts auf sie alleine zurückfäll­t.

Die Neugier auf AKK als Ministerin ist verflogen

 ?? Foto: M. Kappeler, dpa ?? Annegret Kramp-Karrenbaue­r im August 2018 beim Besuch in einem Bundeswehr-Ausbildung­scamp im Nordirak. Dort also, wo sie jetzt eine internatio­nale Sicherheit­szone installier­en will.
Foto: M. Kappeler, dpa Annegret Kramp-Karrenbaue­r im August 2018 beim Besuch in einem Bundeswehr-Ausbildung­scamp im Nordirak. Dort also, wo sie jetzt eine internatio­nale Sicherheit­szone installier­en will.

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