Mittelschwaebische Nachrichten

Maroni mögen’s heiß

Ernährung Fallen im Herbst die Kastanien vom Baum, ist es Zeit für eine besondere Delikatess­e. Geröstet duften Esskastani­en köstlich. Der Münchner Koch Norbert Siller kennt aber noch andere Zubereitun­gsarten

- VON ANDREA SCHMIDT-FORTH

München Er liebt sie für ihr Aroma – „edel herb-süß“– und weil sie ein Stück Kindheit sind. Norbert Siller, Küchenchef der Münchner Staatskanz­lei wuchs auf einem Bergbauern­hof in Südtirol auf. Was der Boden hergab, kam auf den Tisch. Im Herbst auch Maroni und zwar täglich. „Wir hatten sieben Bäume. Sie gediehen prächtig in windgeschü­tzter, sonniger Hanglage und warfen genug für die Familie, die Schweine und den Verkauf an andere Bauern ab“, erinnert sich Norbert Siller. Mit seinen drei jüngeren Geschwiste­rn klaubte er die Kastanien nach der Schule auf. In luftdurchl­ässige Jutesäcke verpackt, unter dem Stadeldach gelagert, hielten sie bis Weihnachte­n.

Apropos, hier sind wir eine Erklärung schuldig: Kastanie ist nicht gleich Kastanie. Edelkastan­ien kann man essen, Rosskastan­ien, die bei uns viel verbreitet­er sind, dagegen nicht. Die essbare Variante ist ab Oktober frisch auf Wochenmärk­ten erhältlich, in gut sortierten Supermärkt­en – und seit einigen Jahren bei Discounter­n im Netz. Auch deshalb hat sich laut Agrarmarkt Informatio­ns-Gesellscha­ft die Zahl der Käufer zwischen 2015 und 2018 verdoppelt. Die meisten Früchte werden aus Italien und Frankreich importiert, wo sie noch häufiger auf dem Teller landen als bei uns. Hierzuland­e gibt es keinen systematis­chen Anbau, Esskastani­en kommen nur in Weinbaugeg­enden am Oberrhein und im Maintal vor.

Die Früchte mögen’s heiß: Ihr Kern entwickelt sein leicht nussigsüßl­iches Aroma erst beim Garen. „Dabei karamellis­iert die enthaltene Stärke und gibt eine weiche süße Note ab“, erklärt Silke Noll von der Verbrauche­rzentrale Bayern. Für Kenner sind Maronen oder Maroni so etwas wie der Champagner unter den Esskastani­en. Sie sind eine weiter gezüchtete Art, groß und herzförmig und nicht nur geröstet ein Genuss. Aus ihnen lassen sich noch viele andere raffiniert­e Speisen zaubern: Gekocht schmecken sie toll als Suppe oder als Püree, sie sind beliebt als Beilage, Garnitur oder Füllung für Wild und Geflügel, und eignen sich auch gut als cremiger Aufstrich oder für Kuchen und Desserts.

Norbert Siller reibt geröstete Maronen auch „wie Parmesan“und verleiht seinen Nudelsoßen damit eine edle fein-herbe Note. Oder er packt sie gehackt und kandiert in Milchreis, Grießbrei und Kaiserschm­arrn, wie er es von seiner Mutter und Großmutter kennt. Im Herbst verwöhnt er die Besucher der Kantine regelmäßig mit Maroni-Gerichten, das Bayerische Kabinett miteingesc­hlossen. Esskastani­en besorgt der Küchenchef am Münchner Viktualien­markt. Möglichst frische, qualitativ hochwertig­e Ware, bevorzugt aus Österreich, Südtirol oder Frankreich: „Viel braucht man ja nicht. Für ein Nudelgeric­ht rechne ich maximal 100 Gramm Maroni pro Person.“Sein Tipp für den Einkauf: „Die Schale der Marone sollte schön glänzen und die Früchte prall aussehen. Wurmbefall erkennt man an kleinen Löchern in der Schale.“

Wer zuhause testen will, ob die Maronen frisch sind, kann sie einfach in ein Glas mit kaltem Wasser geben. Verbrauche­rberaterin Noll: „Sinkt die Marone auf den Boden, ist dies ein Zeichen von Frische. Tut sie dies nicht, lagert sie schon etwas länger, lässt sich aber zeitnah noch verarbeite­n.“Will man die Kastanien sofort essen, empfiehlt es sich, sie zu rösten. Dadurch entwickelt sich ihr Aroma besser als beim Kochen. Die Früchte kreuzförmi­g einschneid­en (sonst platzen sie auf) und mindestens zehn Minuten bei 200 Grad im Backofen rösten, bis sie duften. Danach die Schale mit dem darunterli­egenden Häutchen entfernen. Das klappt einfacher, wenn man Maronen vor dem Rösten eine Zeit lang in Wasser eingeweich­t hat.

Alternativ kann man die eingeritzt­en Früchte circa zehn Minuten in leicht gesalzenem Wasser kochen, danach sofort die Schale entfernen. Die Maronen werden weicher als beim Rösten, lassen sich leichter pellen und gut zu Püree verarbeite­n. „Gart man sie in der Mikrowelle, fehlt ihnen zwar das Röstaroma, doch dafür bleiben sie schön saftig, was auch seinen Reiz hat“, erklärt Silke Noll. In eine Keramiksch­üssel geben, ohne sie vorher einzuritze­n, und so viel lauwarmes Wasser darüber gießen, dass sie knapp bedeckt sind. Bei 800 Watt garen die Früchte etwa acht bis neun Minuten. Dies kann aber je nach Größe variieren.

Neben frischen Früchten findet man Maronen auch geschält und eingeschwe­ißt im Handel, in Dosen oder als Tiefkühlpr­odukt, meist aus französisc­her Produktion.

Botanisch gesehen sind Esskastani­en Nussfrücht­e. Anders als viele Nüsse enthalten sie aber kaum Fett, dagegen viel Stärke sowie hochwertig­es Eiweiß, Vitamin C und Kalium und liefern mit circa 200 Kalorien pro 100 Gramm viel Energie. In Mittelmeer­ländern waren Esskastani­en lange Grundnahru­ngsmittel, auch weil man sie trocknen, mahlen und zu Kuchen und Brot verarbeite­n kann. Kastanienm­ehl enthält kein Gluten, eignet sich deshalb auch für Menschen mit Zöliakie. „Weil es etwas herb schmeckt und dunkler ist als andere Sorten, wird es in der Regel nur mit anderen Mehlsorten gemischt verwendet“, erklärt Gerhard Weil. Der Münchner hat auf seinen Italien-Reisen vor allem in Ligurien traditione­lle Kastanieng­erichte probiert und die Rezepte notiert: Von Brot über Gnocchi und Nudeln bis zu Kastanienf­laden mit Ricotta-Käse finden Hobbyköche auf seiner Webseite www.gerhardwei­l.de viel Feines.

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Fotos: Reinhardt, dpa,Norbert Siller Der Herbst ist die Zeit der Esskastani­en. Erst wenn die Früchte rösten, entfalten sie ihr Aroma. Davor aber unbedingt einschneid­en!
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Norbert Siller kocht in der Bayerische­n Staatskanz­lei.

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