Mittelschwaebische Nachrichten
Afrika wird zum Labor für Volkswagen
Autoindustrie Der Kontinent gilt als riesiger, unerschlossener Markt – doch es ist nicht einfach, dort Fuß zu fassen. Was der Konzern unter Extrembedingungen für sein Geschäft lernen kann
Das geplante neue VolkswagenWerk in der Türkei liegt auf Eis. Ganz abgesagt ist es aber noch nicht. „Wir sind derzeit nicht dabei, alternative Standortplanungen zu machen“, sagte Markenproduktionschef Andreas Tostmann am Dienstag in Wolfsburg. Einen detaillierten Zeitrahmen für eine Entscheidung wollte der Manager aber nicht nennen. Große Pläne hat der Autohersteller aber auf einem anderen Kontinent: Mit einem Pilotprojekt will Volkswagen bei der E-Mobilität in Afrika Akzente setzen.
In Ruandas Hauptstadt Kigali sollen demnächst 50 E-Golf fahren, kündigte der Geschäftsführer von Volkswagen South Africa, Thomas Schäfer, an. Die Infrastruktur wird von Siemens aufgebaut. Zunächst sollen die Elektro-Golfs nur vom VW-eigenen Mobilitätsdienst genutzt werden. Schäfer – der auch Vorsitzender des Afrikanischen Automobilhersteller-Verbandes (AAAM) ist – kündigte zugleich für die nächsten Monate die Eröffnung neuer Produktionsstätten in Ghana und Kenia an.
Mit zunächst bescheidenen Stückzahlen sollen sie eine Art Türöffner für den geplanten afrikanischen Binnenmarkt werden, so Schäfer. Auf bis zu fünf Millionen Neuwagen pro Jahr schätzt Schäfer das Potenzial des Kontinents – sofern die Voraussetzungen stimmen. Noch ist es nicht so weit. Der VWManager arbeitet daher an einem „panafrikanischen Autopakt“und tastet sich mit Industriepartnern in Pioniermärkten voran. Ein eng verzahnter kontinentaler Herstellermarkt à la Airbus schwebt ihm vor. Die 50 eGolf in Ruandas Hauptstadt Kigali sieht Schäfer daher nur als einen Start. Eine Flotte von mehr als 200 im Land gebauten VW-Fahrzeugen gibt es dort nach seinen Angaben bereits. Es geht bei dem Projekt auch ums Lernen: Wie reagiert ein Mobilitätsdienst in einem Umfeld mit hohen Temperaturen und Regionen ohne Straßennamen?
Als bisher größter Standort auf dem Kontinent gilt das Volkswagenwerk nahe der südafrikanischen Hafenstadt Port Elizabeth, wo im Vorjahr über hunderttausend Fahrzeuge produziert wurden – Tendenz steigend. Das Werk baut für den Export wie auch den heimischen Markt diverse Polo-Versionen. Südafrika gilt als eine Art Testmarkt für Automobil-Hersteller aus aller Welt, darunter BMW, Mercedes, Ford oder Nissan, aber auch chinesische oder indische Hersteller. VW hat dort einen Marktanteil von 20 Prozent – den höchsten konzernweit.