Mittelschwaebische Nachrichten

Der Diktator bekommt ein neues Grab

Spanien Jahrzehnte­lang pilgerten Rechtsradi­kale zum Grab von Francisco Franco. Nun wird sein einbalsami­erter Leichnam umgebettet. Wie ein 93-jähriges Opfer darauf reagiert

- VON RALPH SCHULZE

Madrid Es ist alles vorbereite­t für die letzte Reise des früheren spanischen Rechtsdikt­ators Francisco Franco. Zwei Militärhub­schrauber stehen bereit, um den Sarg mit den Überresten des 1975 Verstorben­en zu seiner neuen diskreten Ruhestätte zu fliegen. Ein kleiner Kran wartet am Grabmal. Er soll die 1500 Kilo schwere Granitplat­te anheben, auf der Franco-Anhänger bis vor kurzem jeden Tag frische Blumen ablegten. Doch nun sperrten Polizisten das bis dahin viel besuchte Mausoleum im Hinterland Madrids ab, um Störaktion­en zu verhindern.

An diesem Donnerstag, 10.30 Uhr, soll das Grab geöffnet werden. Dann wird die Umbettung jenes Tyrannen beginnen, der während seiner bis 1975 dauernden Herrschaft eines der schwärzest­en Kapitel der spanischen Geschichte schrieb. Am Nachmittag soll der einbalsami­erte Leichnam Francos dann in einem öffentlich nicht zugänglich­en Grabtempel auf einem kleinen Friedhof, rund 35 Kilometer Luftlinie entwieder beigesetzt werden – im Kreis der Familie und ohne Medienpräs­enz. Dort, nicht weit vom Dorf El Pardo, ruht bereits Francos 1988 gestorbene Ehefrau Carmen.

General Franco war nach einem Putsch gegen die spanische Republik und nach seinem Sieg im Bürgerkrie­g (1936 bis 1939) an die Macht gekommen. Während seiner Herrschaft (1939 bis 1975) verfolgte er die linke Opposition. Mehr als 100000 Regimegegn­er, die in Massengräb­ern verscharrt wurden, sind bis heute verschwund­en.

„Wahrheit, Gerechtigk­eit und Wiedergutm­achung“, steht auf einem Aufkleber, der an einer Laterne vor dem Mausoleum prangt. 44 Jahre nach der Beisetzung Francos in der riesigen Bergbasili­ka, die 60 Kilometer nördlich von Madrid im „Tal der Gefallenen“liegt, erfahren die Opfer Francos endlich ein wenig dieser Gerechtigk­eit, welche ihre Familien seit Jahren einfordern. Sie fanden es empörend, dass im Mausoleum rund 12000 Franco-Opfer „zusammen mit ihrem Mörder“, wie sie es nannten, beigesetzt waren.

„Die Würde unserer Demokratie erfordert die Umbettung Francos“, sagte Spaniens sozialisti­scher Regierungs­chef Pedro Sánchez. „Kein demokratis­ches Land kann einen Diktator ehren.“Das sah die Familie Francos anders. Sie versuchte monatelang, zusammen mit der Franco-Stiftung, gerichtlic­h die Umbettung zu verhindern.

Der Oberste Gerichtsho­f wies jüngst alle Einsprüche zurück und machte den Weg für die Exhumierun­g frei. Zuvor hatte Spaniens Parlament mit der Mehrheit der progressiv­en Parteien beschlosse­n, den „Führer von Gottes Gnaden“, wie er sich anreden ließ, aus dem Mausoleum zu holen. Auch weil sein Grab, das hinter dem Altar der Basilika im Boden eingelasse­n ist, zu einem Wallfahrts­ort für Rechtsradi­kale geworden war.

„Ich freue mich über die Entscheidu­ng“, sagt der 93-jährige Nicolás Sánchez-Albornoz. „Das Franco-Grabmal war eine Schande für das Land.“Der Mann ist einer der wenigen noch lebenden Zwangsarbe­iter, die am Bau der riefernt, sigen Grabanlage, die ins Bergmassiv der Sierra de Guadarrama getrieben und im Jahr 1959 fertiggest­ellt wurde, beteiligt waren. Oben auf der Bergkuppe zeugt ein 150 Meter hohes Granitkreu­z von der unseligen Einheit aus Nationalka­tholizismu­s und Diktatur.

Das Monument im „Tal der Gefallenen“ist heute Spaniens größtes Massengrab. Dort ließ Franco insgesamt 34000 Opfer bestatten. Zunächst erhielten dort 22000 Tote aus Francos nationalko­nservative­m Lager ihre letzte Ruhestätte. Später kamen 12000 Republik-Anhänger hinzu, die aber ohne Zustimmung ihrer Angehörige­n ins Franco-Monument gebracht wurden. Am Eingang prangt bis heute nur die nationalis­tisch-katholisch­e Lobpreisun­g der franquisti­schen Bürgerkrie­gssieger: „Gefallen für Gott und für das Vaterland 1936–1939.“

Was nach der Beseitigun­g des Franco-Grabes mit dem Mausoleum geschehen soll, ist noch unklar. Vielleicht wird es in ein Geschichts­museum verwandelt. Oder es bleibt einfach eine Ruhestätte.

 ?? Foto: Europa Press, dpa ?? 23. November 1975: Der Sarg mit dem Leichnam des Diktators Francisco Franco ist bei der Bestattung im „Tal der Gefallenen“mit einer franquisti­schen spanischen Flagge bedeckt.
Foto: Europa Press, dpa 23. November 1975: Der Sarg mit dem Leichnam des Diktators Francisco Franco ist bei der Bestattung im „Tal der Gefallenen“mit einer franquisti­schen spanischen Flagge bedeckt.

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