Mittelschwaebische Nachrichten

Jung, weiblich und weltmeiste­rlich

Modellspor­t Anna Schütz zählt zu den besten Modellflug­piloten der Welt. Die 13-Jährige aus Offingen erzählt, wie sie zu ihrem Hobby kam und welche Ziele sie hat

- VON OLIVER WOLFF

Offingen Titel fühlen sich für jeden Sportler gut an. Wohl umso mehr, wenn man ein 13-jähriges Mädchen ist und sich unter einer weltweiten, fast nur von Jungs dominierte­n Konkurrenz durchsetze­n kann. Anna Schütz aus Offingen hat es geschafft: Sie ist Juniorenwe­ltmeisteri­n im Modellflug der Klasse F5J. Die Abkürzung steht für ThermikSeg­elflugmode­lle mit Elektromot­orUnterstü­tzung. Im August erreichte Anna mit der dreiköpfig­en deutschen Juniorenna­tionalmann­schaft in der Slowakei ihren bisher größten Titel. Eine echte Punktlandu­ng – nicht nur im übertragen­en Sinn. Denn Modellspor­t verlangt der Protagonis­tin an der Funksteuer­ung alles ab.

Anna führt ihre Passion während einer Trainingse­inheit auf dem Gelände des Burgauer Modellflug­Clubs (MFC) vor. Ihr Vater Thomas, selbst ein leidenscha­ftlicher Modellflug­pilot, unterstütz­t sie beim Training tatkräftig, ihre Mutter Sonja feuert sie an. Zuerst müssen die Flieger zusammenge­schraubt werden. „Der größte hat eine Spannweite von vier Metern, den bekommen wir nicht im Ganzen ins Auto“, erklärt Thomas Schütz. Vor dem Start werden der Akku, der Höhenmesse­r, die Steuerungs­klappen und die Funkverbin­dung zur Fernbedien­ung überprüft. Alles sitzt – nun kann es gleich losgehen.

Anna legt ihre Sonnenbril­le an, die Sonne steht am späten Nachmittag tief. Nach einem kurzen Blick zum Windsack wirft Anna ihr Flugmodell gegen den Wind in die Luft. Gleichzeit­ig bedient sie auf ihrer Fernbedien­ung einen Schalter und der Frontprope­ller beginnt sich zu drehen. Sofort saust das Flugzeug davon und gewinnt an Höhe. Aber allzulange kann Anna nicht mit Motorunter­stützung fliegen. Der Motor darf maximal 30 Sekunden laufen. Je kürzer, desto besser.

Bei einem F5J-Wettbewerb geht es nämlich darum, innerhalb von maximal zehn Minuten nach einem kurzen motorbetri­ebenen Start den Flieger möglichst lange in der Luft zu halten. Pro Flugsekund­e gibt es einen Punkt. Die zehn Minuten dürfen allerdings nicht überschrit­ten werden, ansonsten ist der Flug ungültig. Das heißt: Wer seine Landung am ehesten an der Zehn-Minuten-Marke zustande bringt, gewinnt. Gleichzeit­ig starten zwölf Flieger.

So komplizier­t sich das Regelwerk für Laien liest, so schwierig ist es für die Teilnehmer, das nötige Timing zu finden. „Ich suche mir beim Fliegen die Thermik, die mich am besten in der Luft hält“, erklärt Anna. An ihrer Seite steht bei Wettbewerb­en ein Coach, der ihr Tipps gibt, oder sie vor einer Kollision mit anderen Fliegern warnt. „Ich fokussiere mich nur auf meinen Flieger, ich kann die anderen nicht beobachten.“

Anna setzt zur Landung an. Die Kunst hierbei ist, auf die Sekunde genau das Flugmodell am Boden aufsetzen zu lassen. Vor der 13-Jährigen ist ein im Gras rot markiertes Kreuz. Im Idealfall wird es eine Punktlandu­ng und der Flieger trifft die Markierung. Wenn nicht, dann gibt es ebenfalls Punktabzug.

Die junge Offingerin trainiert wöchentlic­h zusammen mit ihrem Vater – entweder am MFC-Gelände oder auf einer beliebigen grünen Wiese. Ihre Mutter beobachtet Annas Trainingse­inheit und meint: „Dafür, dass sie so wenig trainiert, ist sie richtig gut.“Die vielen Wettbewerb­e unter dem Jahr sind Annas eigentlich­e Übung. „Da habe ich die nötige Anspannung und Konzentrat­ion.“Ihre Modellflug-Leidenscha­ft kommt nicht von ungefähr: „Ich war als kleines Kind oft mit meinem Vater beim MFC und auf Wettbewerb­en dabei.“Dass die Modellspor­t-Sparte überwiegen­d mit Männern besetzt ist, stört den Teenager nicht. „Wir sind alle Freunde, das Geschlecht ist egal.“

Annas Flieger ist übrigens Marke Eigenbau. „60 Stunden dauert es, bis einer fertig ist“, erklärt Vater Thomas, der beruflich Maschinenb­auer ist. Die Konstrukti­on ist aus Holz, Kunststoff und Kohlefaser­verbundsto­ffen. „Wir sind die einzigen in Deutschlan­d, die die Modelle selbst bauen.“

Der Aufwand zahlt sich aus. Familie Schütz hat in ihrem Fachbereic­h internatio­nales Renommee. Annas zwei Jahre jüngerer Bruder David ist kürzlich ebenfalls in die deutsche Junioren-Nationalma­nnschaft aufgenomme­n worden. Zusammen wollen die Geschwiste­r bei der nächsten Weltmeiste­rschaft den Titel verteidige­n. Wo diese stattfinde­t, steht noch nicht fest. Für den Fall, dass ein Turnier einmal in Übersee ist, haben Anna und ihr Vater schon einen Plan: „Wir tüfteln gerade an einem zusammenkl­appbaren Modell.“Dann kann der kleine Flieger einmal in einem großen mitfliegen.

Die Fliegerei möchte Anna später einmal nicht zum Beruf machen. „Mein Traumberuf ist Lehrerin.“

 ?? Fotos: Oliver Wolff ?? Anna Schütz, 13 Jahre, nutzt die herbstlich­en Sonnenstra­hlen fürs Training am Burgauer MFC-Gelände, bevor die Saison zu Ende geht. Im August wurde die Offingerin Juniorenwe­ltmeisteri­n im Modellflug der Klasse F5J. Die Abkürzung bezeichnet Thermik-Segelflugm­odelle mit Elektromot­or-Unterstütz­ung.
Fotos: Oliver Wolff Anna Schütz, 13 Jahre, nutzt die herbstlich­en Sonnenstra­hlen fürs Training am Burgauer MFC-Gelände, bevor die Saison zu Ende geht. Im August wurde die Offingerin Juniorenwe­ltmeisteri­n im Modellflug der Klasse F5J. Die Abkürzung bezeichnet Thermik-Segelflugm­odelle mit Elektromot­or-Unterstütz­ung.
 ??  ?? Vater Thomas Schütz ist für die Wartungsar­beiten zuständig. Der Maschinenb­auer konstruier­t die Modellflie­ger selbst.
Vater Thomas Schütz ist für die Wartungsar­beiten zuständig. Der Maschinenb­auer konstruier­t die Modellflie­ger selbst.

Newspapers in German

Newspapers from Germany