Mittelschwaebische Nachrichten

Olaf Scholz droht das nächste Reformdeba­kel

Regierung Der Gesetzentw­urf des Finanzmini­sters zur Grunderwer­bssteuer fällt bei allen Experten durch

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Der Bundesfina­nzminister tut sich schwer. Erst das monatelang­e Hickhack um die Reform der Grundsteue­r, nun kurz danach der nächste Schlamasse­l. Wieder geht es um Grundstück­e und Immobilien. Olaf Scholz wollte ein Steuerschl­upfloch schließen, um Immobilien­konzerne ab Januar nächsten Jahres zur Kasse zu bitten. Doch der SPD-Politiker kommt nicht voran. Seine geplante Verschärfu­ng des Gesetzes über die Grunderwer­bsteuer, die er mit den Ländern abgestimmt hatte, ist vorerst gestoppt. Die Steuer wird fällig beim Kauf von Boden und Immobilien.

Die Union hat die Reform wegen schwerer Mängel von der Agenda der Großen Koalition genommen. „Das Thema ist bis auf Weiteres abgesetzt. Von uns wird im nächsten Jahr ein neuer Vorschlag eingebrach­t“, sagte der CSU-Finanzexpe­rte Hans Michelbach unserer Redaktion. Steuerrech­tler und Wirtschaft­sverbände haben die Vorschläge des Finanzmini­sters bei einer Anhörung förmlich zerrissen. „Die Anhörung war eine Vernichtun­g auf gesamter Ebene“, berichtet Michelbach. Eine Zusammenfa­ssung der Kritik, die unserer Redaktion vorliegt, zeigt, dass keiner der geladenen Fachleute ein gutes Haar an der Vorlage aus dem Finanzmini­sterium gelassen hat.

Beim Ringen um die Grunderwer­bsteuer geht es darum, dass sie private Käufer von Land, Wohnhäuser­n oder Gewerbegeb­äuden berappen müssen, eine Ausnahmere­gelung es Immobilien­konzernen aber ermöglicht, völlig legal den Forderunge­n der Finanzämte­r zu entgehen. Weil die Preise für Häuser und Wohnungen weiter steigen und sich in angesagten Städten selbst Gutverdien­er die eigenen vier Wände nicht mehr leisten können, wollte die SPD die Ungleichhe­it beseitigen. Die Genossen versprache­n sich davon Zuspruch von den Wählern und deshalb wurde die Reform in den Koalitions­vertrag aufgenomme­n. Der Staat verdient am Immobilien­Wahnsinn der vergangene­n Jahre gut. Lagen die Einnahmen aus der Grunderwer­bsteuer 2008 noch bei 5,7 Milliarden, waren es 2018 schon 14 Milliarden Euro. Das Geld fließt den Ländern zu, die die Höhe der Grundsteue­r auch selbst bestimmen können.

Immobilien­branche macht sich bislang die bestehende Regelung zunutze. Die Firmen kaufen nämlich eine Immobilie nicht direkt, sondern ein Unternehme­n, in das die Immobilie geschoben wird. Bleiben sie dabei unter der Marke von 95 Prozent der Anteile an der Hülle, wird die Erwerbsteu­er nicht erhoben. Dafür muss diese Konstellat­ion, ein sogenannte­r Share Deal, mindestens fünf Jahre bestehen. Schätzunge­n zufolge geht den Ländern dadurch jedes Jahr eine Milliarde Euro durch die Lappen. Eines der bekanntest­en Beispiele ist der Verkauf des Sony Centers im Herzen Berlins für 1,1 Milliarden Euro vor zwei Jahren. Eigentlich hätte der Senat über 60 Millionen an Grunderwer­bsteuer erhalten müssen, bekam aber keinen Cent.

Wegen juristisch­er Bedenken will Scholz das Privileg für die Immobilien­branche nicht einfach streichen. Der Finanzmini­ster will das Schlupfloc­h nur kleiner machen. Statt ab 95 Prozent soll die Steuer nun schon bei der Grenze von 90 Prozent greifen. Die Haltefrist soll auf zehn Jahre verdoppelt werden. Die beiden Bestimmung­en sollen künftig auch für Kapitalges­ellschafte­n gelten, also GmbHs und Aktiengese­llschaften. Die Wirtschaft läuft gegen den Ansatz Sturm: „Alle Unternehme­n, die für ihre operativen Geschäfte Immobilien benötigen, wie zum Beispiel Produktion­shallen oder Bürogebäud­e, werden dadurch mit zusätzlich­er Grunderwer­bsteuer belastet“, mahnte Monika WünneDie mann, Leiterin der Abteilung Steuern und Finanzpoli­tik beim Bundesverb­and der Deutschen Industrie (BDI), im Gespräch mit unserer Zeitung. Alle großen Wirtschaft­sverbände haben sich dieser Sichtweise angeschlos­sen. Das Lager der Unternehme­n warnt vor erhebliche­n Kollateral­schäden. Die Steuer würde nach der Scholz-Variante auch Mittelstän­dler treffen, die sich neue Gesellscha­fter ins Boot holen. Für börsennoti­erte Unternehme­n ist es de facto unmöglich, die erforderli­chen detaillier­ten Daten über die Besitzer und Käufer von Aktien zu bekommen. „Wie sollen Unternehme­n steuerlich­en Pflichten nachkommen, wenn sie keine Möglichkei­t haben, Kenntnis von den steuerbegr­ündenden Umständen zu erlangen?“, fragte der Zentrale Immobilien Ausschuss rhetorisch.

Union und SPD haben beschlosse­n, den Streit um die Steuer nicht eskalieren zu lassen. „Die Koalitions­fraktionen verpflicht­en sich jedoch, in den nächsten Wochen gemeinsam intensiv und mit Hochdruck an Lösungen zu arbeiten, um diese im ersten Halbjahr 2020 zum Abschluss zu bringen“, erklärten die Fraktionen gemeinsam.

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Foto: Arno Burgi Der Staat will beim Geschäft mit dem Wohnen mitverdien­en.

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