Mittelschwaebische Nachrichten

„Das stützt die Große Koalition“

Interview Der Berliner Parteienfo­rscher Thorsten Faas über die Konsequenz­en aus der Wahl in Thüringen

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Herr Faas, ist mit dem Ausgang der Landtagswa­hl in Thüringen der nächste Nagel in den Sarg der Volksparte­ien geschlagen?

Thorsten Faas: Tatsächlic­h ist der gemeinsame Stimmenant­eil beider Parteien historisch niedrig. Union wie SPD haben massiv an Wählern verloren – und das wird nicht ohne Folgen bleiben. Wir können davon ausgehen, dass das die letzte Große Koalition auf absehbare Zeit ist. Das heißt nicht, dass es sofort zum Bruch kommt – vielleicht hält sie gerade wegen der miserablen Werte durch bis zum Ende. Die Furcht vor Neuwahlen ist noch größer.

Sie glauben also nicht, dass der Ausgang der Thüringen-Wahl Einfluss auf den Fortbestan­d der Großen Koalition haben wird?

Faas: Die GroKo wird gerade eher durch die SPD und deren Suche nach Vorsitzend­en geprägt. Aber natürlich hilft dieses schlechte Ergebnis eher den Gegnern als den Befürworte­rn der Koalition. Trotzdem haben die Parteien gerade kein Interesse, mit solch schlechten Werten in einen Wahlkampf zu ziehen. Und das stützt die Große Koalition.

Auch die Grünen sind schwach. Ist die Partei ein westdeutsc­hes Phänomen – vielleicht sogar ein Wohlstands­phänomen?

Faas: Selbst bei der so grünen Europawahl im Frühjahr haben sich die Grünen im Osten schwergeta­n, sie sind ganz klar eine westdeutsc­he Partei. Ihnen fehlen, wie übrigens auch anderen Parteien, Strukturen und Mitglieder, um sich in den östlichen Bundesländ­ern stärker zu etablieren.

Hat sich die AfD in der Mitte der Gesellscha­ft festgesetz­t – sie liegt noch vor der CDU? Faas: Im Osten hat sich die AfD auf hohem Niveau etabliert. Ob man aber bei einer Partei unter Führung von Björn Höcke von Mitte sprechen kann, da wäre ich äußerst vorsichtig.

Warum verschreck­en die gezielten Tabubrüche der AfD die Wähler nicht? Faas: Offenkundi­g mobilisier­t die Partei Teile der Wählerscha­ft, die mit den anderen Parteien abgeschlos­sen haben. Das führt zu einer höheren Wahlbeteil­igung, muss uns aber trotzdem tief besorgen.

Aufgrund der unübersich­tlichen Lage ist schon die Rede von einer „Simbabwe“-Regierung, also einer Koalition aus CDU, SPD, Grüne, FDP. Was ist von einem solchen Bündnis voller Widersprüc­he zu halten?

Faas: Das ist das Dilemma, in dem wir und die deutsche Parteienla­ndschaft gerade stecken. Die Ergebnisse der vergangene­n Wahlen zeigen uns allesamt, dass neue Modelle nötig werden, die aber selbst wieder so schwierig sind, dass die Vermittlun­g ihrer Arbeit herausford­ernd ist. Außerdem bedienen diese ungewöhnli­chen Koalitione­n natürlich auch populistis­che Narrative, die besagen, dass die sogenannte­n Altparteie­n nur an der Macht bleiben wollen.

Also doch Minderheit­sregierung? Faas: Das geht mir oft zu schnell, denn was soll das im konkreten Fall heißen? Nur noch die Linke in der Regierung? Oder die jetzige Regierung? Und was heißt das für die Arbeit im Parlament im Alltag, wenn es in keinem Ausschuss mehr eine Mehrheit gibt. Das wäre ein großer Sprung.

Oder soll sich die CDU auf die Linke einlassen?

Faas: Die Stimmen gerade aus dem Osten werden lauter werden – schlicht, um sich Machtpersp­ektiven zu eröffnen. CDU-Spitzenkan­didat Mike Mohring klang heute weniger eindeutig als etwa der CDU-Generalsek­retär. Konkret für Thüringen sehe ich dieses Bündnis aber nicht. Interview: M. Hufnagel

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