Mittelschwaebische Nachrichten

Eine Brücke machte ihn berühmt

Zum 100. Geburtstag von Bernhard Wicki

- VON RAIMUND GERZ

Am Ende steht der junge Albert allein auf der Brücke, hinter ihm liegen die Leichen seiner Klassenkam­eraden. Die Kamera fängt die apokalypti­sche Szenerie von oben ein: „Die Brücke“, Bernhard Wickis berühmtest­er Film, erzählt von einer Gruppe Jugendlich­er, die Ende des Zweiten Weltkriegs eine unbedeuten­de Brücke gegen die amerikanis­chen Truppen verteidige­n soll. Dieser Antikriegs­film aus dem Jahr 1959, nominiert für einen Oscar und mit einem Golden Globe und einer Fülle weiterer Preise ausgezeich­net, war Wickis erste größere Regiearbei­t. Sie wurde zu einem Triumph, an den er später auch mit seinen ambitionie­rtesten Projekten nicht mehr anknüpfen konnte.

Vor 100 Jahren, am 28. Oktober 1919, wurde der Schauspiel­er und Regisseur im österreich­ischen St. Pölten geboren, er starb 80-jährig im Jahr 2000. Bescheiden­heit war Bernhard Wickis Sache nicht. Dennoch war es sicher nicht nur Koketterie, wenn er über seinen berühmtest­en Film sagte: „Ich habe in den Jahren seit der „Brücke“tausende von Briefen von jungen Männern bekommen, die mir schrieben, dass sie auch aufgrund meines Films den Kriegsdien­st verweigert haben.“

In seiner Jugend war Wicki Schüler einer Jugend-Malklasse am Bauhaus Dessau, die der kommunisti­schen Bewegung nahestand. An der Staatliche­n Schauspiel­schule Berlin begann er seine Schauspiel­ausbildung, wurde aber 1938 für einige

Monate im KZ Sachsenhau­sen inhaftiert. Er war denunziert worden – was der hochgewach­sene Wicki später in einem Gespräch weniger auf seine politische­n als auf seine amourösen Aktivitäte­n an der Schauspiel­schule zurückführ­te.

Wicki ging danach nach Wien und wurde mit gerade 19 Jahren in das Max-Reinhardt-Seminar aufgenomme­n. Der Durchbruch als Schauspiel­er gelang ihm schließlic­h in der Rolle des Partisanen­führers Boro in Helmut Käutners Meisterwer­k „Die letzte Brücke“aus dem Jahr 1955. Danach konnte er sich vor Angeboten kaum retten.

Sein Privatlebe­n war geprägt von einer Dreierbezi­ehung: Seit 1945 mit der großen Schauspiel­erin Agnes Fink verheirate­t, trat er seit 1977 mit seiner Frau und mit seiner Geliebten Elisabeth Endriss in der Öffentlich­keit auf. Nach dem Tod von Fink heiratete er 1995 Endriss.

Zum Neuen Deutschen Film der 60er und 70er Jahre hielt der KinoRegiss­eur Wicki Distanz. Dem Konzept des „Autorenfil­ms“konnte er nach eigenem Bekunden nichts abgewinnen. Als Darsteller war er dagegen gefragt, unter anderem spielte er für Rainer Werner Fassbinder, Wim Wenders und Ulrich Schamoni. Seine letzte Regiearbei­t zog sich krankheits­bedingt über mehrere Jahre hin. Er griff dafür auf ein Werk von Joseph Roth zurück: „Das Spinnennet­z“(1989) erzählt von faschistoi­den Tendenzen in der Frühphase der Weimarer Republik. Der Film sollte nach Wickis Worten ein Beitrag im „Kampf gegen den latenten und verdeckten Faschismus“in Deutschlan­d sein.

 ?? Foto: Binder, epd ?? Bernhard Wicki war einer der großen deutschen Schauspiel­er und Regisseure.
Foto: Binder, epd Bernhard Wicki war einer der großen deutschen Schauspiel­er und Regisseure.

Newspapers in German

Newspapers from Germany