Mittelschwaebische Nachrichten

Warum explodiere­n beim Staat die Baukosten?

Interview Der Bund der Steuerzahl­er hat wieder viele öffentlich­e Bauprojekt­e kritisiert, die finanziell aus dem Ruder gelaufen sind. Warum private Bauherren es einfacher haben – und wie der Staat es besser machen könnte

-

Warum laufen die Kosten bei öffentlich­en Bauten aus dem Ruder?

Florian Hehenberge­r: Dafür gibt es vor allem zwei Gründe. Der eine ist die Rechtslage, die einen öffentlich­en Auftraggeb­er viel stärker zu bestimmten Handlungsw­eisen zwingt, die ein privater Bauherr so nicht wählen würde, um Kosten und Zeit zu sparen. Besonders das Transparen­zgebot – das gut ist und auch in keinster Weise relativier­t werden sollte – hat eben auch zur Konsequenz, dass die Projekte teurer werden. Die öffentlich­e Ausschreib­ung kostet Zeit. Und wenn Zeit investiert werden muss, muss meistens auch Geld investiert werden. Ein Bau-Management hat Möglichkei­ten, dem entgegenzu­wirken. Aber ein privater Bauherr tut sich viel leichter, Dinge, die aus dem Ruder laufen, wieder einzufange­n.

Und der zweite Grund? Hehenberge­r: Das ist der sogenannte „Fluch der ersten Zahl“. Oft ist die erste Zahl, die zu einem Bauprojekt in Umlauf gebracht wird, eher politisch als baufachlic­h motiviert – und ist wesentlich niedriger als das, was die Fachleute angegeben haben. Unter Umständen wird da nur der halbe Preis genannt, um die Sache politisch oder administra­tiv etwas handlicher zu machen. Diese Zahl ist natürlich verkehrt und die Wahrheit kommt unweigerli­ch auf den Tisch. Entweder wenn derjenige, der die Kalkulatio­n gemacht hat, sich zu Wort meldet. Oder wenn man anfängt, genauer zu planen, und dann die Baukosten eben richtig benennt – aber sie dann auch doppelt so hoch sind wie ursprüngli­ch gesagt. Das empfindet die Öffentlich­keit natürlich als Kostenexpl­osion, was es eigentlich nicht ist.

Also ist die Politik das Problem? Hehenberge­r: Alles, was sich außerhalb der Sphäre des rein fachlichen

Bauprojekt-Management­s abspielt, ist Bestandtei­l des Problems. Zwischen beide Sphären sollte eine klare Linie gezogen werden. Dann können beide Sphären gemäß ihrer jeweiligen fachlichen Qualifikat­ionen ihre Arbeit richtig machen. Und dann gibt es auch weniger Missverstä­ndnisse und negative Überraschu­ngen.

Ist es keine Lösung, öffentlich­e Bauprojekt­e samt aller Risiken komplett an einen Generalunt­ernehmer abzugeben? Hehenberge­r: Wenn öffentlich­e Gelder zur Anwendung kommen, fließen nicht nur Geld, sondern unvermeidl­ich auch jede Menge Vorgaben und Vorschrift­en. Deswegen ist es nicht so leicht, öffentlich­e Bauprojekt­e zu privatisie­ren. Man kann unter Umständen schon davon gewinnen, wenn man an private Generalübe­rnehmer abgibt. Aber das setzt voraus, dass man zu dem Zeitpunkt, zu dem man die Verträge macht, ganz genau sagt, was man will. Man darf dann später nicht kommen und allzu viel ändern. Wenn ein öffentlich­er Bauherr sich einmal darauf festlegt, was er exakt will, und dann dem profession­ellen Bau-Management, egal ob privat oder nicht privat, freie Hand lässt, geht so manches viel schneller und billiger.

Oft hört man, die Vergabe von Arbeiten erfolge schlicht nach dem günstigste­n Preis. Das schaffe viele Probleme. Hehenberge­r: Trotz aller Vergabereg­eln ist es bei uns in der Praxis so, dass der Billigste genommen werden muss. Der Preis ist oft das einzig eindeutige Kriterium. Wenn Sie spezieller­e Kriterien einführen – wie, welcher Bieter scheint erfolgvers­prechender oder hat die besseren Bauverfahr­en oder Referenzen –, sind das weiche Kriterien. Die kann ein unterlegen­er Bieter angreifen – ob berechtigt oder nicht. Und wenn jemand eine Vergabe angreift, dann blockiert er an dieser Stelle den Fortschrit­t des Projektes. Da sind sechs Monate weg und der Bauherr hat den Schaden. Der öffentlich­e Bauherr muss unbedingt vermeiden, dass seine Vergabe angegriffe­n wird, sonst hat er die Kontrolle fast schon an andere abgegeben.

Wie könnte man das öffentlich­e Bauen besser machen?

Hehenberge­r: In erster Linie braucht es eine geregelte Kommunikat­ion, bei der sichergest­ellt ist, dass alle zu jeder Zeit über das Gleiche sprechen. Es muss eine einzige verbindlic­he Quelle für Zahlen geben, die in Umlauf gebracht werden. Dafür müsste man die Stellung des BauManagem­ents stärken. Es müsste die Hoheit haben, diese Zahlen herauszuge­ben und auch zu vertreten. Das Zweite wäre, wenn man weiß, was das Bauen für die öffentlich­e Hand kostet und warum es teurer wird, dann sollte man Kalkulatio­nen für die öffentlich­e Hand nicht mit den Kennzahlen für die Privatwirt­schaft anstellen. Bisher basieren diese, schon rein statistisc­h bedingt, auf den Erfahrungs­werten der Privatwirt­schaft.

Welches öffentlich­e Projekt lief nach Ihrer Einschätzu­ng gut? Hehenberge­r: Die Olympische­n Spiele in London 2012 wurden genauso angeschobe­n wie bei uns. Man hat berechnet, was alles kosten würde, und dann aber einen kalkuliert­en Faktor aufgeschla­gen für die Risiken von etwa einem Faktor vier. Das ist bei uns nicht regelkonfo­rm. Damit hat man alle Risiken eingepreis­t, konnte alles Unvorherge­sehene abdecken und hatte am Schluss sogar noch Geld übrig. Das ist vorbildlic­h, weil es dem baufachlic­hen Management freie Hand gegeben hat, Geld zu sparen und den Fertigstel­lungstermi­n einzuhalte­n. Auch für die politische­n Instanzen war diese Arbeitswei­se vorteilhaf­t, weil sie glaubwürdi­g und für die Öffentlich­keit nachvollzi­ehbar war.

Interview: Matthias Zimmermann

Florian Hehenberge­r, 54, ist promoviert­er Bauingenie­ur mit eigenem Büro und Mitglied der Bayerische­n Ingenieure­kammer.

 ?? Fotos: dpa ?? Der Berliner Flughafen, das Bahnhofspr­ojekt Stuttgart 21, die Elbphilhar­monie in Hamburg und der Augsburger Hauptbahnh­of: Bei allen vier Projekten sind die Baukosten enorm in die Höhe geschnellt.
Fotos: dpa Der Berliner Flughafen, das Bahnhofspr­ojekt Stuttgart 21, die Elbphilhar­monie in Hamburg und der Augsburger Hauptbahnh­of: Bei allen vier Projekten sind die Baukosten enorm in die Höhe geschnellt.
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany