Mittelschwaebische Nachrichten
Wie harmonisch ist Bayerns Regierung wirklich?
Koalition Seit einem Jahr teilen sich CSU und Freie Wähler die Macht. Wo Konflikte lauern
München Der Satz ist schlicht, doch in Zeiten, in denen die politische Gemengelage kompliziert ist, ist er eben auch bemerkenswert. „Die Koalition läuft, wenn ich ehrlich bin, ziemlich gut“, sagt Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Er meint damit das Regierungsbündnis mit den Freien Wählern. Keine Gelegenheit lässt Söder aus, um den einstigen Konkurrenten in höchsten Tönen zu loben: Schon viel vorangebracht habe das Bündnis, findet Söder – und positioniert seine Koalition ganz bewusst als Gegenmodell zum Berliner GroKo-Gewürge: „Gerade im Gegensatz zur Bundesregierung sieht man ja, dass man auch mit unterschiedlichen Partnern sehr, sehr gut zusammenarbeiten kann“, stichelt er.
Ein Jahr ist es heute her, dass die CSU und die Freien Wähler ihre Unterschrift unter den Koalitionsvertrag geschrieben hatten. Und während Söder seinen eigenen CSUMinistern intern gerne auch mal mächtig Dampf macht, bekommt Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger öffentliche Streicheleinheiten: Verlässlich sei sein Junior-Partner, auch politisch bringe er wichtige Impulse, etwa beim Ausbau der Mobilfunk-Versorgung, schwärmt der Regierungschef. Und ein SuperTyp, das sei der Hubert noch dazu. Auch Aiwanger spricht zum Einjährigen von einer „freundschaftlichen Atmosphäre“.
Also alles eitel Sonnenschein im schwarz-orangen „Spezi-Bündnis“? Auf den ersten Blick scheint es so, denn in der Tat lief das erste Regierungsjahr ohne größeren Streit oder politische Krisen. Richtig ist allerdings auch, dass sich Söder und Aiwanger den Regierungsfrieden teuer erkauft haben. Denn schon bei den Koalitionsverhandlungen vor einem Jahr wurden inhaltliche Konflikte etwa um die Familienförderung schlicht mit zusätzlichem Steuergeld gelöst.
Unter der Oberfläche brodelt zudem, dass die beiden politisch doch sehr ähnlichen Partner nach wie vor um dieselben Wähler buhlen. Ein Konflikt, der schon bei der Kommunalwahl im Frühjahr aufbrechen könnte – zumal Aiwanger schon jetzt vor allem bei Terminen auf dem Land ganz anders spricht als in München: Da rät er Landwirten gerne, der Politik seiner eigenen Regierung nicht über den Weg zu trauen, spricht wegen verstärkter Kontrollen von „Stasi-Methoden im Kuhstall“oder findet, Bayern wäre sicherer, wenn jeder Bürger ein Messer in der Tasche hätte.
Was spontan wirkt, dürfte kalkuliert sein: Dort, wo die grüne SöderCSU die politische Mitte in den Blick nimmt, bietet sich Aiwanger für Traditionalisten, Landwirte oder Jäger als konservative Alternative an. Den Konflikt mit der CSU nimmt er dabei in Kauf.
In der CSU erträgt man Hubert Aiwangers politische Extratouren bislang mit Gelassenheit. Auf dem CSU-Parteitag sah sich Parteichef Söder kürzlich allerdings doch genötigt, etwas klarzustellen: In München mit entscheiden – und dann „im Land nichts davon wissen wollen“–, das könne die CSU nicht durchgehen lassen. „Auch nicht unseren Freunden von den Freien Wählern.“Unter dem Strich weiß man aber auch in der CSU, was man am neuen Partner hat: So wäre etwa die Öko-Wende gegen Freie Wähler in der Opposition viel schwieriger gewesen.
Kritik kommt hingegen von den Oppositionsfraktionen der Grünen, SPD und FDP im Bayerischen Landtag: Ludwig Hartmann (Grüne) sprach von einem „verlorenen Jahr im Klimaschutz“. Eine „Systempolitik ohne Substanz“mit großem Problem bei Mobilfunk und Breitband monierte Horst Arnold (SPD), während Martin Hagen (FDP) eine „Fehlbesetzung“in Aiwanger als Wirtschaftsminister erkannt haben wollte. Er forderte eine „Agenda für Wettbewerbsfähigkeit“der Wirtschaft.