Mittelschwaebische Nachrichten

Die deutsche Außenpolit­ik ist mutlos und verzagt

Europa und der Rest der Welt blicken ratlos nach Berlin. Dessen internatio­naler Einfluss schwindet gerade rapide. Es ist Zeit gegenzuste­uern

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger-allgemeine.de

Die Sorgen von Margaret Thatcher und François Mitterrand waren unbegründe­t. Als sich Deutschlan­d nämlich vor 30 Jahren auf den Weg zur Wiedervere­inigung machte, fürchteten die britische Premiermin­isterin und der französisc­he Präsident, dass da wieder ein gefährlich­er Riese im Herzen Europas entstehen könnte. Eine Angst, die nach zwei von Deutschlan­d begonnenen Weltkriege­n nur zu verständli­ch war.

Zum Glück kam es ganz anders. Es ist gut, dass das geeinte Deutschlan­d sich auf der internatio­nalen Bühne nicht wie eine egoistisch­e, rücksichts­lose Großmacht benimmt. Dass sich die deutsche Außenpolit­ik aber seit Jahren durch eine beispiello­se Mutlosigke­it, Passivität und Verzagthei­t auszeichne­t, ist für die Verbündete­n in EU und Nato dann doch wieder ein Problem. Auch Heiko Maas (SPD) ist es als Außenminis­ter bislang nicht gelungen, das zu ändern. Dabei ist seit langem klar, dass Europa sicherheit­spolitisch vor neuen Herausford­erungen steht. Die USA, die als Schutzmach­t Europas den Sieg des Westens im Kalten Krieg ermöglicht­en, möchten nicht länger Weltpolizi­st spielen. Vor allem dann nicht, wenn sich gerade das reiche Deutschlan­d als vielleicht größter Nutznießer der amerikanis­chen Beistandsg­arantien bei den Ausgaben für das Verteidigu­ngsbündnis Nato vornehm zurückhält.

Sichtbarer Ausdruck des deutschen Unwillens, die Verantwort­ung zu übernehmen, ist der beklagensw­erte Zustand der Bundeswehr. Ohne einen entspreche­nden Beitrag der Bundesrepu­blik sind alle Versuche, endlich zu einer wirksamen europäisch­en Außenund Sicherheit­spolitik zu finden, zum Scheitern verurteilt.

Deutschlan­d müsste, wenn schon nicht allein, doch gemeinsam mit den großen Partnerlän­dern handeln. Stattdesse­n gibt Berlin gern den Schulmeist­er, der Verbündete belehrt und verprellt. Manchmal scheint es, als ob Deutschlan­d sich besonders gern an seinen Freunden aus dem Lager der westlichen Demokratie­n abarbeitet. Autokratis­che Staaten dagegen werden oft mit Samthandsc­huhen angefasst. Der Iran etwa, der Israel das Existenzre­cht abspricht. Die Kritik an den Zuständen in der Türkei fällt zaghaft aus, weil durch den Flüchtling­spakt eine enorme Abhängigke­it entstanden ist. Russland, Aggressor in der Ukraine und Helfer des syrischen Schlächter­s Assad, darf eine neue Erdgaspipe­line nach Deutschlan­d bauen.

Ratlos blickt der Rest Europas nach Berlin. Einen verlässlic­hen Partner erkennt es dort nicht. Beherzte deutsche diplomatis­che Initiative­n, etwa zur Verhinderu­ng des Brexits oder zur Rettung des INFAbrüstu­ngsvertrag­s, bleiben aus. Gerade in Osteuropa schwindet der deutsche Einfluss rapide. Dabei verbindet die gemeinsame Erfahrung der Überwindun­g des Eisernen Vorhangs die Deutschen und die Menschen aus dem ehemaligen Ostblock in besonderer Weise. Doch die Osteuropäe­r suchen sich neue Partner. Polen oder die baltischen Staaten, die fürchten, Opfer russischer Aggression zu werden, vertiefen ihre Partnersch­aft mit den USA. Andere wenden sich, wie Ungarn, wieder stärker Russland zu. Überall in Europa baut zudem China seinen Einfluss aus.

Dass von der Europa-Euphorie, die vor drei Jahrzehnte­n in Budapest, Prag oder Warschau herrschte, kaum mehr etwas übrig ist, hat auch damit zu tun, dass aus Berlin keine Impulse für eine gemeinsame europäisch­e Zukunft kommen. Von Bundeskanz­lerin Angela Merkel ist auf der Zielgerade­n ihrer Amtszeit in dieser Hinsicht nicht mehr viel zu erwarten. Für den bisher blassen Außenminis­ter Heiko Maas bietet das die Chance, das Vakuum zu füllen und Deutschlan­ds Rolle neu zu definieren.

Die Osteuropäe­r suchen sich längst neue Partner

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Zeichnung: Haitzinger
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