Mittelschwaebische Nachrichten
Linkes Bündnis gegen Hartz
SPD, Linke und Grüne gegen Sanktionen für die Empfänger
Berlin Vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts am Dienstag zu den Sanktionen gegen Empfänger von Hartz IV zeigen die linken Parteien ungewohnte Einigkeit. SPD, Grüne und Linke wollen die Strafen bei Verstößen gegen Auflagen der Arbeitsagenturen abschaffen oder deutlich abmildern. „Alle Sanktionen gehören abgeschafft, denn Grundrechte kürzt man nicht“, sagte die stellvertretende Fraktionschefin der Linken, Susanne Ferschl, unserer Redaktion. Die Große Koalition sei auf dem Feld der Sozialpolitik nicht handlungsfähig, kritisierte die Abgeordnete aus dem Allgäu.
Die Arbeitsagenturen können den Beziehern von Hartz IV das Geld kürzen, wenn sie zum Beispiel unentschuldigt einen Termin versäumen. Etwa drei Viertel aller Strafen werden aus diesem Grund verhängt. Wer eine „zumutbare“Arbeit ablehnt oder eine Fördermaßnahme abbricht, dem können sogar 30 Prozent des Satzes gestrichen werden. Bei wiederholten Pflichtverstößen darf das Jobcenter das Arbeitslosengeld sogar komplett einbehalten. Nach den offiziellen Zahlen sind im Schnitt rund drei Prozent der Bezieher von Sanktionen betroffen.
Die SPD, die seit Jahren spürbar an den von ihr durchgesetzten Hartz-Reformen leidet, will das Schwert der Arbeitsvermittler stumpf machen. Jüngere Arbeitslose bis zum Alter von 25 Jahren können zum Beispiel härter an die Kandare genommen werden. Das wollen die Sozialdemokraten ändern. „Bisher hat sich die Union immer verweigert, sinnwidrige und unwürdige Sanktionen abzuschaffen“, sagte die arbeitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Kerstin Tack, unserer Redaktion. Komplett abschaffen wollen die Genossen die Disziplinierungselemente aber nicht. „Wer staatliche Leistungen erhält, hat auch Mitwirkungspflichten. Aber Sanktionen in der Grundsicherung müssen menschenwürdig gestaltet sein“, erklärte Tack.
Damit bleibt die SPD hinter den Grünen zurück, die wie die Linken mit den Sanktionen komplett Schluss machen wollen. „Ein moderner Sozialstaat setzt auf Anerkennung, Motivation und individuelle Förderung statt auf Sanktionen“, meinte der sozialpolitische Sprecher, Sven Lehmann, gegenüber unserer Redaktion. Er bemängelte, dass pauschale Kürzungen des Existenzminimums die Betroffenen in große Schwierigkeiten bringe und oftmals für psychische Belastungen sorge.
Die höchsten deutschen Richter müssen über einen Fall aus Gotha entscheiden. Das dortige Sozialgericht hielt pauschale Kürzungen der Stütze für verfassungswidrig. Das mit Spannung erwartete Urteil aus Karlsruhe betrifft hierzulande 5,4 Millionen Menschen, die von Hartz IV leben. Die Einführung der Arbeitsmarktreformen vor anderthalb Jahrzehnten begründete Rot-Grün seinerzeit mit dem Motto „fördern und fordern“. Gerade das Fördern, sagen Kritiker, komme zu kurz.