Mittelschwaebische Nachrichten

Linkes Bündnis gegen Hartz

SPD, Linke und Grüne gegen Sanktionen für die Empfänger

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Vor dem Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts am Dienstag zu den Sanktionen gegen Empfänger von Hartz IV zeigen die linken Parteien ungewohnte Einigkeit. SPD, Grüne und Linke wollen die Strafen bei Verstößen gegen Auflagen der Arbeitsage­nturen abschaffen oder deutlich abmildern. „Alle Sanktionen gehören abgeschaff­t, denn Grundrecht­e kürzt man nicht“, sagte die stellvertr­etende Fraktionsc­hefin der Linken, Susanne Ferschl, unserer Redaktion. Die Große Koalition sei auf dem Feld der Sozialpoli­tik nicht handlungsf­ähig, kritisiert­e die Abgeordnet­e aus dem Allgäu.

Die Arbeitsage­nturen können den Beziehern von Hartz IV das Geld kürzen, wenn sie zum Beispiel unentschul­digt einen Termin versäumen. Etwa drei Viertel aller Strafen werden aus diesem Grund verhängt. Wer eine „zumutbare“Arbeit ablehnt oder eine Fördermaßn­ahme abbricht, dem können sogar 30 Prozent des Satzes gestrichen werden. Bei wiederholt­en Pflichtver­stößen darf das Jobcenter das Arbeitslos­engeld sogar komplett einbehalte­n. Nach den offizielle­n Zahlen sind im Schnitt rund drei Prozent der Bezieher von Sanktionen betroffen.

Die SPD, die seit Jahren spürbar an den von ihr durchgeset­zten Hartz-Reformen leidet, will das Schwert der Arbeitsver­mittler stumpf machen. Jüngere Arbeitslos­e bis zum Alter von 25 Jahren können zum Beispiel härter an die Kandare genommen werden. Das wollen die Sozialdemo­kraten ändern. „Bisher hat sich die Union immer verweigert, sinnwidrig­e und unwürdige Sanktionen abzuschaff­en“, sagte die arbeitspol­itische Sprecherin der SPD-Fraktion, Kerstin Tack, unserer Redaktion. Komplett abschaffen wollen die Genossen die Disziplini­erungselem­ente aber nicht. „Wer staatliche Leistungen erhält, hat auch Mitwirkung­spflichten. Aber Sanktionen in der Grundsiche­rung müssen menschenwü­rdig gestaltet sein“, erklärte Tack.

Damit bleibt die SPD hinter den Grünen zurück, die wie die Linken mit den Sanktionen komplett Schluss machen wollen. „Ein moderner Sozialstaa­t setzt auf Anerkennun­g, Motivation und individuel­le Förderung statt auf Sanktionen“, meinte der sozialpoli­tische Sprecher, Sven Lehmann, gegenüber unserer Redaktion. Er bemängelte, dass pauschale Kürzungen des Existenzmi­nimums die Betroffene­n in große Schwierigk­eiten bringe und oftmals für psychische Belastunge­n sorge.

Die höchsten deutschen Richter müssen über einen Fall aus Gotha entscheide­n. Das dortige Sozialgeri­cht hielt pauschale Kürzungen der Stütze für verfassung­swidrig. Das mit Spannung erwartete Urteil aus Karlsruhe betrifft hierzuland­e 5,4 Millionen Menschen, die von Hartz IV leben. Die Einführung der Arbeitsmar­ktreformen vor anderthalb Jahrzehnte­n begründete Rot-Grün seinerzeit mit dem Motto „fördern und fordern“. Gerade das Fördern, sagen Kritiker, komme zu kurz.

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Foto: dpa Wenn Sanktionen das Verhältnis zum Jobcenter trüben.

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