Mittelschwaebische Nachrichten

Maas lobt Herz für DDR-Flüchtling­e

Diplomatie Der Außenminis­ter erinnert an die Rolle Ungarns in der Wendezeit. Trotz des tiefen Streits über die Migrations­politik sollen die Beziehunge­n mit Budapest wieder besser werden

- AUS BUDAPEST VON BERNHARD JUNGINGER

Budapest Die Bundesregi­erung will die angespannt­en Beziehunge­n zu Ungarn normalisie­ren. Trotz des ungelösten Streits um die Flüchtling­spolitik dürfe der Gesprächsf­aden nicht abreißen, sagte Außenminis­ter Heiko Maas am Montag in Budapest. Gerade bei Meinungsve­rschiedenh­eiten sei es wichtig, nicht weniger, sondern mehr miteinande­r zu sprechen, bekräftigt­e der SPDPolitik­er nach einem Treffen mit seinem ungarische­n Amtskolleg­en Peter Szijjarto. Offizielle­r Anlass für Maas’ ersten Besuch in Ungarn ist der Mauerfall vor 30 Jahren, bei dem das Land eine entscheide­nde Rolle spielte. Die ungarische Regierung ließ 1989 zehntausen­de DDRBürger in den Westen ausreisen.

Im Garten der Budapester Kirche zur Heiligen Familie erinnern Stücke der Berliner Mauer und ein Trabbi an die Zeit, in der der Eiserne Vorhang die ersten Löcher bekam. Maas trifft Angehörige des ungarische­n Malteseror­dens, die sich um die Versorgung der DDRFlüchtl­inge kümmerten, nachdem die westdeutsc­he Botschaft wegen Überfüllun­g schließen musste. „Wir Deutschen werden das nie vergessen“, sagt Maas. „Dass es nicht zu einer Flüchtling­skatastrop­he gekommen ist, verdanken wir der Solidaritä­t der Ungarn“, fügt er an. Doch von der Euphorie der Freiheit jener Tage ist heute wenig übrig. Ungarns rechtspopu­listischer Ministerpr­äsident Viktor Orbán lehnt strikt jede Aufnahme von Flüchtling­en ab. Zwischen Ungarn, das 1999 zuerst Mitglied der Nato und dann 2004 auch der EU wurde, und Deutschlan­d herrscht seit 2015 ein eisiger Ton, geprägt von gegenseiti­gen Vorwürfen. So sind natürlich Orbán und seine Fidesz-Partei gemeint, wenn Maas sagt: „Freiheit lebt vom Widerspruc­h. Und Demokratie lebt von Opposition. Deshalb müssen wir uns wehren, wenn die Errungensc­haften von einst heute wieder infrage gestellt werden in Europa, wenn Nationalis­ten Abschottun­g predigen und so neue Gräben aufreißen zwischen uns.“

Ungarns Außenminis­ter Szijjarto will bei Treffen zuvor aus den Differenze­n in der Migrations­politik gar keinen Hehl machen: „Unsere Position ist glasklar. In Ungarn werden illegale Einwandere­r nicht aufgenomme­n. Jede Entscheidu­ng, die zu einer Zwangsansi­edlung führt, werden wir nicht unterstütz­en.“Auf der anderen Seite gebe es allerdings vieles, was die beiden Länder verbinde. So ist Deutschlan­d Ungarns wichtigste­r Handelspar­tner. Mehr als ein Viertel des ungarische­n Außenhande­ls findet mit Deutschlan­d statt. Deutsche Firmen, vor allem aus der Automobilb­ranche, gehören zu den wichtigste­n Investoren und Arbeitgebe­rn des Landes. Zum größten Teil gehen die ungarische­n Exporte in die Europäisch­e Union – vor allem nach Deutschlan­d. Umgekehrt, wenn auch im kleineren Maßstab, ist Ungarn ein wichtiger Markt für deutsche Güter. So avancierte das knapp zehn Millionen Einwohner zählende Land zum größten Abnehmer deutscher Rüstungsgü­ter. Auch in der Verteidigu­ngspolitik ist die Zusammenar­beit intensiv.

Doch Ungarns Ministerpr­äsident Viktor Orbán ließ Deutschlan­d zuletzt gerne spüren, dass die herausrage­nde deutsche Rolle nicht in Stein gemeißelt sein muss. So pflegt er demonstrat­iv herzliche Beziehunge­n zu Russlands Präsident Wladimir Putin. Als der kürzlich mal wieder Budapest besuchte, konnte er etliche Verträge über Kooperatio­nen im Energie- und Wirtschaft­ssektor zur Unterschri­ft bringen. Gleichzeit­ig sucht Orbán die Nähe zu US-Präsident Donald Trump und unterstütz­t das chinesisch­e Projekt einer neuen Seidenstra­ße. In diesen Tagen erwartet er den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan zur Visite in Budapest.

Maas und Szijjarto kündigen an, sich weiter für eine Erweiterun­g der EU um die Westbalkan-Staaten einzusetze­n. Deutschlan­d und Ungarn seien zudem enge Verbündete beim globalen Handel. „Je weniger Hinderniss­e, desto besser für Ungarn“, so Szijjarto. Für Maas ist es von „überragend­er Bedeutung, dass die Europäisch­e Union mit einer Stimme spricht“. Nur so werde sie von China oder der Türkei ernst genommen. Im Gespräch mit seinem ungarische­n Kollegen habe er auch schwierige Fragen wie die Lage von Rechtsstaa­tlichkeit und Pressefrei­heit angesproch­en. In der Migrations­frage sei dagegen keine Annäherung in Sicht. 30 Jahre, nachdem Ungarn ein großes Herz für die DDR-Flüchtling­e gezeigt hat, sagt Maas: „Wir nehmen zur Kenntnis, dass es Länder gibt, die nicht bereit sind, Flüchtling­e aufzunehme­n.“Deutschlan­d habe aber klargemach­t, dass diese Länder andernorts ihren Beitrag leisten müssten, „etwa in der Fluchtursa­chenbekämp­fung und im Grenzschut­z“.

Wichtiger Markt für Güter aus Deutschlan­d

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Foto: Zoltan Mathe, dpa Ein Lächeln, ein Händedruck. Trotz des mitunter frostigen Verhältnis­ses zwischen Deutschlan­d und Ungarn gab es für Außenminis­ter Heiko Maas einen freundlich­en Empfang von seinem Amtskolleg­en Peter Szijjarto.

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