Mittelschwaebische Nachrichten

„Glück kann man nicht herstellen“

Interview Der beliebte Autor Axel Hacke erklärt, was für ihn ein gelungenes Leben ist und warum er Menschen beneidet, die nicht so viel nachdenken

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Herr Hacke, Walter Wemut heißt die Titelfigur Ihres Buchs „Wozu wir da sind“. Wie kamen Sie auf den Namen? Axel Hacke: Ach wissen Sie, so etwas fällt einem ein – und dann ist es da. Ich sitze nicht ewig lange und überlege, sondern Wemut war plötzlich vorhanden. Das ist nicht kalkuliert. Mit einem Mal steht er da und dann weiß man, dass er so heißen muss.

Walter Wemut ist ja ein Autor von Nachrufen. Er soll plötzlich eine Laudatio über ein gelungenes Leben schreiben und scheint überforder­t. Warum fällt es uns leichter, über das Misslingen als über das Gelingen zu schreiben? Hacke: Stimmt, das Negative geht uns in Deutschlan­d besser von der Hand. Über das Kaputte und falsch Gelaufene fällt es leichter zu schreiben als über das, was richtig gegangen ist. Und so kommt es dann ja auch in dem Buch. Wemut fällt ganz viel ein über Freundscha­ften, die in die Brüche gegangen sind, ganze Lebensläuf­e, die gescheiter­t sind. Wemut versucht daraus aber etwas zu lernen. Er denkt darüber nach, wie man es besser machen kann.

Hängt es damit zusammen, dass man über das Misslungen­e das Gelungene besser erkennen kann?

Hacke: Zunächst muss man definieren, was gelungen überhaupt heißt. Das kann für den einen bedeuten, dass er viel Geld hat und im Beruf erfolgreic­h ist. Aber Wemut fragt sich, ob es das Wesentlich­e ist oder was es da sonst noch anderes geben könnte. Um zu einem Ergebnis zu kommen, muss man die Dinge von allen Seiten betrachten. In Wahrheit kann gelungen bedeuten, in einer guten Weise mit Schicksals­schlägen umzugehen, die einem begegnen.

Sie selbst nehmen sich ja auch gerne Erklärbüch­er zu den großen Fragen des Lebens vor. Was reizt Sie daran? Hacke: Och, das hat mich schon immer gereizt. Ich habe nur mit 35 oder 40 Jahren noch nicht das Gefühl gehabt, dass ich dazu viel zu sagen habe. Das ist mit 63 anders. Da hat man mehr erlebt, mehr an Scheitern und Gelingen gesehen und im besten Fall auch etwas begriffen. Also, man ist dem Leben gegenüber etwas demütiger.

Ihr Buch ist ein einziger Monolog. Warum haben Sie diese Form gewählt? Hacke: Das war der erste Gedanke. Ich wollte, dass man sich eine Situation vorstellt, bei der ein Mann auf einem Stuhl sitzt und redet. Zunächst einmal war es mir wichtig, wie er das macht. So ist dieser Charakter eines assoziativ, sprunghaft denkenden Menschen entstanden, der viel querbeet liest und auf vieles zurückgrei­fen kann. Es ist aber einer, der manchmal Konzentrat­ionsstörun­gen hat und nicht immer bei der Sache bleiben kann.

Jeder sehnt sich nach einem gelungenen Leben. Aber das zu führen, ist gar nicht so leicht, oder?

Hacke: Nein. Jeder hat eine andere Ausgangspo­sition. Für manche ist das Leben ganz leicht. Vielleicht auch deswegen, weil sie nicht so viel darüber nachdenken. Das finde ich sehr beneidensw­ert. Einfach leben, ohne in die Tiefe gehen zu müssen. Ich kann das nicht, aber das ist ja nicht schlimm. Es geht halt im Leben darum, aus der eigenen Ausgangspo­sition das Beste zu machen.

Was ist denn für Herrn Hacke Glück? Hacke: Na ja, über den Begriff gibt es ganze Seiten im Buch. Wir leben in einer Gesellscha­ft, in der die Menschen dauernd glücklich sein wollen. Ich glaube aber, Glück ist nicht unbedingt etwas, das man einfach so herstellen kann. Es ist eher so, wie Sigmund Freud geschriebe­n hat: Glück ist etwas, das einen plötzlich überfällt.

Sie haben es geschafft und verbrachte­n ja einem anderen Buch zufolge auch schon Tage mit Gott. Was meint der denn zu einem gelungenen Leben? Hacke: Der Gott in meinem Buch hat ja Schwierigk­eiten, sein eigenes Leben als gelungen zu betrachten, weil er das Gefühl hat, dass vieles in seiner Schöpfung schiefgega­ngen ist. Aber mit dem Scheitern muss man halt umgehen. Wichtig ist es, überhaupt einmal etwas gemacht zu haben.

Das könnte auch ein Parameter für ein gelungenes Leben sein: etwas gemacht zu haben.

Hacke: Ja, diese aktive Verbindung ins Leben gefunden zu haben, das ist wichtig. Nicht: Ich muss, ich muss, ich muss, sondern: Ich will … Das gilt es herauszufi­nden, ein Gefühl dafür zu bekommen, was man eigentlich möchte. Da muss nicht alles glattgehen. Es ist wichtig, sich Erfahrunge­n auszusetze­n.

Welche Rolle spielt in Ihrem Leben das Schreiben? Was fasziniert Sie mehr: das Gelingen oder das Scheitern? Hacke: Für mich ist Schreiben erst einmal das Einzige, was ich kann. Ich kann nicht malen, bin ökonomisch nicht begabt. Ich kann halt schreiben. Das ist meine Begabung und die versuche ich zu entwickeln. Es gibt Tage, da gehe ich beschwingt ins Büro und komme als gebrochene­r Mann heim. Und es gibt das Umgekehrte. Da kommt man dann bestens gestimmt zurück, weil alles geklappt hat. Ich misstraue übrigens Menschen, die mir sagen, sie seien beim Schreiben immer glücklich.

Gehört zu einem gelungenen Leben eigentlich ein Haus im Chiemgau? Hacke: Nein, natürlich nicht. Aber es ist trotzdem schön, wenn man es hat. Allerdings habe ich keines, bloß eine kleine Wohnung dort.

Wenn justament jetzt Schluss wäre und Sie müssten Bilanz ziehen, was stünde da drunter: Gelungenes Leben? Er hat sich bemüht? Oder: Hoffentlic­h ist es das letzte Leben!

Hacke: Im Moment finde ich mein Leben ganz toll. Ich habe eine wunderbare Frau und großartige Kinder und Enkel und ein paar wirklich gute Freunde, auf die ich mich verlassen kann. Das sind Dinge, die mich schon sehr freuen. Da habe ich das Gefühl, irgendetwa­s hast du hingekrieg­t.

Interview: Josef Karg

Axel Hacke, 63, ist Autor und lebt in München. Er wurde unter anderem bekannt mit seinen Kolumnen über den Kühlschran­k „Bosch“und dem Buch „Der kleine Erziehungs­berater“.

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Foto: Matthias Becker Der Autor Axel Hacke beschäftig­t sich in seinem neuen Buch „Wozu wir da sind“mit den großen Fragen des Lebens.

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