Mittelschwaebische Nachrichten

Rastloser Rekordjäge­r

Formel 1 Lewis Hamilton ist zum sechsten Mal Weltmeiste­r, ein Titel fehlt noch zu Michael Schumacher. Über einen Mann, der Geschichte schreibt und einzigarti­g ist

- VON MARCO SCHEINHOF

Austin Wer sich Lewis Hamilton nähern will, kommt an seinen Hunden nicht vorbei. Roscoe und Coco heißen die. Und natürlich haben sie einen Account bei Instagram. 170 000 Menschen folgen den Bildern der beiden. Mal fläzen sie auf einem Sitz im Flugzeug, mal spazieren sie am Strand entlang. Ihr Leben ist so bunt und schillernd wie das ihres Herrchen. Und das ist seit Sonntagabe­nd zum sechsten Mal Weltmeiste­r in der Formel 1.

Lewis Hamilton ist das Gesicht der Königsklas­se. Der Brite ist der Farbtupfer im mitunter grauen Alltag. Viele Fahrer versuchen, sich aus der Öffentlich­keit herauszuha­lten. Sebastian Vettel zum Beispiel blockt Fragen nach seinem Privatlebe­n gerne ab. Frau und Kinder hält er aus den Schlagzeil­en raus. Hamilton dagegen zeigt gerne das, was er hat und macht. Ihm folgen 13 Millionen Menschen bei Instagram. Vettel dagegen meidet die sozialen Netzwerke. Hamilton lebt in Monte Carlo und hat ein Penthouse in New York. Sein Nachbar ist Tom Brady, einer der größten Football-Stars der USA. Vettel hat sich in der Schweiz in der Nähe vom Bodensee einen alten Bauernhof gekauft und ihn nach seinen Wünschen umgestalte­t. Seine Nachbarn sind höchstens ein paar Kühe. Hamiltons Freundeskr­eis reicht von Brasiliens Fußballer Neymar über Tennisspie­lerin Serena Williams bis zu Popstar Justin Bieber. Er hat sich ein eigenes Musikstudi­o eingericht­et und unter anderem für Tommy Hilfiger schon Modekollek­tionen entworfen. Der Unterschie­d zwischen Hamilton und Vettel ist groß – nicht nur auf der Rennstreck­e.

Erst beim Rennen in Mexiko vor wenigen Tagen sprach Hamilton davon, dass er sich in der Zukunft der Schauspiel­erei widmen möchte. Der 34-Jährige probiert sich gerne aus. Alltag ist für ihn Langeweile. Er führt ein Leben auf der Überholspu­r. Nicht nur auf der Rennstreck­e. Mit nunmehr sechs WM-Titeln fehlt ihm noch einer zum Rekord von Michael Schumacher. Lange Zeit galten dessen sieben Titel als uneinholba­r, als Erfolg eines außergewöh­nlichen Rennfahrer­s. „Michael zu erreichen, war nie ein Ziel für mich. Ich hätte gedacht, dass es nicht möglich ist, überhaupt nur in die Nähe von Michael zu kommen“, sagte Hamilton. Nun hat er sich selbst eines Besseren belehrt. Und: Aufhören ist keine Option für Hamilton. „Ich arbeite an einem Meisterwer­k. Ich habe es noch nicht beendet und es dauert seine Zeit. Ich habe den Gipfel noch nicht erreicht.“Es klingt wie eine Verlockung, seine Konkurrent­en werden es als Warnung hinnehmen. Es sollte keine überrasche­n, würde er 2021 Titel Nummer sieben seiner Erfolgsges­chichte hinzufügen.

Hamilton wusste früh, was er wollte. Er war gerade zehn Jahre alt, als er den damaligen McLaren-Chef Ron Dennis recht forsch anging. Eines Tages werde er für ihn in der Formel 1 fahren und Weltmeiste­r werden, verkündete Hamilton. Es sollte so kommen. In der einst engen Beziehung zu Dennis gab es mittlerwei­le einen Bruch. Auch mit seinem Vater Anthony lag Lewis Hamilton kurzzeitig über Kreuz. 2010 entließ er ihn als Manager. Er wollte ihn einfach mehr als Vater haben. Das war für Anthony zunächst schwer zu verstehen, nun sind beide wieder fest vereint. Am Sonntag jubelte Papa Hamilton ebenso wie Mama Hamilton – beide mittlerwei­le mit neuen Lebenspart­nern – in Austin mit. „Sie haben einfach alles geopfert, damit ich die Chance hatte, das zu machen, was ich jetzt mache“, sagte Lewis Hamilton voller Dankbarkei­t. Sein jüngerer Bruder ist ebenfalls Rennfahrer geworden – trotz Kinderlähm­ung.

Lewis Hamilton lässt seine Fans tief in seine Gefühlswel­t eintauchen. Wie kürzlich, als er über Instagram seine Sorgen über Umweltsünd­en und schlechte Weltpoliti­k teilte. Als junger Kartfahrer hatte er zudem rassistisc­he Beleidigun­gen erleben müssen. „Wenn das einem Achtoder Zehnjährig­en passiert, hinterläss­t das Narben, die einfach nicht verschwind­en“, sagte MercedesMo­torsportch­ef Toto Wolff. Noch immer ist Hamilton der einzige dunkelhäut­ige Fahrer in der Formel 1.

Hamilton ist einfach ein Hingucker. Mit stets wechselnde­n Frisuren, immer neuen Tattoos und auffällige­m Schmuck. Nicht jedem mag das gefallen. Die Formel 1 aber braucht Typen wie den Briten. Er sorgt für Unterhaltu­ng – auch wenn viele seine Dominanz als langweilig empfinden. Sie ist aber einfach Ausdruck seiner Klasse.

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Foto: dpa Lewis Hamilton nach Platz zwei in Austin. In diesem Moment stand fest, dass er erneut Formel-1-Weltmeiste­r geworden ist.
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Fotos: dpa Lewis Hamilton und Nicole Scherzinge­r waren bis 2015 ein Paar.
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Foto: dpa Lewis Hamilton hat bereits eine eigene Modekollek­tion entworfen.
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Lewis Hamilton und sein Vater Anthony im Jahr 2007. Bis 2010 war er sein Manager, ehe Lewis Hamilton ihn feuerte.

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