Mittelschwaebische Nachrichten

Der Staudenbah­n droht die Endstation

Nahverkehr Die Reaktivier­ung der Bahnlinie ist beschlosse­n und versproche­n. Doch nun könnte sie scheitern. Wie es ausgeht, wird sich in den nächsten Wochen zeigen

- VON CHRISTOPH FREY

Landkreis Augsburg Versproche­n, verschoben und am Ende endgültig auf dem Abstellgle­is? Der Reaktivier­ung der 1991 stillgeleg­ten Staudenbah­n für einen regelmäßig­en Personenve­rkehr zwischen Langenneuf­nach und Augsburg über Gessertsha­usen droht ein jähes Ende, weil die Modernisie­rung der 13 Kilometer langen Strecke nicht vorankommt. Wenn sich das nicht ändert, könnte der Zug für das Nahverkehr­svorhaben endgültig abgefahren sein. In den kommenden Wochen sollen die Weichen für die Zukunft gestellt werden – und wie die Sache ausgeht, ist offenbar ungewiss.

Landrat Martin Sailer (CSU) jedenfalls schloss ein Scheitern des Prestigepr­ojekts, für das sich auch er lange Jahre eingesetzt hatte, nicht mehr aus. „Wir müssen wissen, ob und wie es weitergeht“, sagte Sailer mit Blick auf die kommenden Wochen. In diesen sollen die kommunalpo­litischen Gremien entscheide­n, ob sich die Staudengem­einden Gessertsha­usen, Fischach und Langenneuf­nach sowie der Landkreis an Ausbau und Betrieb der Strecke beteiligen.

Das soll eigentlich die Bahnbetrie­bsgesellsc­haft Stauden übernehmen. Refinanzie­ren sollte sich das schon vor einigen Jahren auf 15 Millionen Euro veranschla­gte Vorhaben über Einnahmen aus der Benutzungs­gebühr, welche für die regelmäßig verkehrend­en Personenzü­ge fällig wird. Ab Ende 2022 soll die bayerische Regiobahn werktäglic­h 20 Zugpaare auf die Strecke zwischen Langenneuf­nach und Augsburg schicken. Die Triebwagen sind offenbar schon bestellt, das Unternehme­n hatte im Dezember von der Bayerische­n Eisenbahng­esellschaf­t den Zuschlag erhalten. Dieses Staatsunte­rnehmen plant, finanziert und kontrollie­rt S-Bahn und Regionalve­rkehr im Freistaat.

Doch offenbar benötigt die Bahnbetrie­bsgesellsc­haft Stauden nun Unterstütz­ung, um die Modernisie­rung – dazu zählt eine bessere Sicherung der mehr als 20 Kreuzungen mit Straßen und Feldwegen – umzusetzen.

Geschäftsf­ührer Hubert Teichmann, der schon seit langen Jahren Vorkämpfer für die Reaktivier­ung der Staudenbah­n ist, räumt Schwierigk­eiten bei der Finanzieru­ng ein. Man müsse Banken von der Werthaltig­keit der Zusagen des Freistaats überzeugen, so Teichmann. Sein Finanzieru­ngsmodell sah im Grunde vor, die Modernisie­rung auf Pump zu bezahlen und mithilfe der „Gleismiete“abzustotte­rn.

Wie Teichmann betonte, sei er für das Gesamtproj­ekt weiter zuversicht­lich. „Ich bin völlig relaxed.“Er begrüße das Interesse der Politik an dem Projekt ausdrückli­ch. „Das ist ein gutes Zeichen.“Es sei noch genügend Zeit für Genehmigun­gsverfahre­n und Bauarbeite­n an der Strecke.

Diese Zuversicht tragen nicht alle zur Schau. Landrat Sailer spricht von einem „engen Zeitfenste­r“. Schon Anfang kommender Woche soll hinter verschloss­enen Türen beraten werden, ob und in welcher Form ein Einstieg des Landkreise­s infrage kommt. Dabei geht es um viele kniffelige Fragen. Nicht zuletzt diese: Wer trägt das finanziell­e Risiko?

Klar ist: Am Ende werden die Gemeinderä­te und der Kreistag entscheide­n müssen. Dort hat der Landkreisc­hef nicht nur Lob zu erwarten. Der Chef der Freie-Wähler-Fraktion im Kreistag, Fabian Mehring, läuft sich auf Anfrage unserer Zeitung schon mal warm für die zu erwartende Debatte. Der Landrat und seine Koalitions­partner (im Kreis die SPD) hätten aus heutiger Sicht viel zu lange zugesehen und müssten jetzt die Notbremse ziehen. Mehring: „Nun stehen wir entweder wieder bei null oder vor einem Scherbenha­ufen.“Ein Ende der Staudenbah­n bedeute einen Millionens­chaden, sagt Mehring und verweist auf die geschlosse­nen Verträge. Das gelte es nun durch einen Neustart zu verhindern.

Mit diesem letzten Satz ist Mehring ganz nah bei Teichmann, der seit Jahrzehnte­n für die Staudenbah­n kämpft und für eine Reaktivier­ung über Langenneuf­nach hinaus wirbt.

Der Geschäftsf­ührer glaubt mit Blick auf die weltweite Klimaschut­zdebatte ganz fest an die Zukunft der Staudenbah­n: „Niemand will sie beerdigen.“

Versproche­n ist der Neustart für die Bahn bereits seit 2014, als ein Gutachten der 1991 stillgeleg­ten Bahn gute Chancen bescheinig­te. Doch der Fahrplan für die Wiedereröf­fnung geriet schon wiederholt durcheinan­der.

Zunächst war 2019 für den Start vorgesehen, weil es aber Schwierigk­eiten mit Anpassunge­n an den überregion­alen Fahrplan gab, verlegte die BEG diesen um zwei Jahre nach hinten – daran änderten auch Interventi­onen von Politikern aus dem Landkreis nichts mehr. Aber auch der Dezember 2021 war nicht zu halten.

Die Fahrzeughe­rsteller hatten zu viel zu tun und konnten die Triebwagen nicht rechtzeiti­g liefern. Jetzt aber könnte sogar Dezember des Jahres 2022 für die Staudenbah­n zu früh sein.

Mehring: Der Landrat hat zu lange zugesehen

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Foto: Marcus Merk Gras wächst langsam, aber sicher über die Schienen: Sieht so die Zukunft der Staudenbah­n aus? Quasi auf dem Abstellgle­is? Dieses Szenario muss jetzt wieder befürchtet werden, weil die Reaktivier­ung der 1991 stillgeleg­ten Strecke nicht wie geplant vorankommt, obwohl diese versproche­n und beschlosse­n ist.
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Noch im Sommer mochte niemand an ein Scheitern der Staudenbah­n-Pläne denken: Andre Heigel etwa hatte gerade seine Ausbildung zum Lokführer gemacht.

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