Mittelschwaebische Nachrichten
Flick betritt die große Bühne
Champions League Der 54-Jährige soll den FC Bayern wieder auf Kurs bringen. Er befördert zwei Reservisten zu Stammspielern. Für einen Verteidiger könnte es eine neue Position geben
München Wenn Hans-Dieter, genannt Hansi, Flick, das Wort Büro ausspricht, hört es sich an, als ob in dessen Mitte zwei Rs ihren Dienst tun: Bürro. Zu hören war das bei seiner ersten Pressekonferenz als Cheftrainer des FC Bayern München. In dieser verriet Flick, wie rasant die vergangenen Tage für ihn verliefen: Am Sonntagabend habe er mit seiner Frau zum Abendessen zusammengesessen, als Sportdirektor Salihamidzic auf dem Handy klingelte und ihn bat, in einer Stunde ins Büro – pardon: Bürro – zu kommen. Abendessen, Büro, mal schnell noch vorbeikommen – das hört sich alles nach mittelständischem Betrieb und nicht nach Weltkonzern an.
Vielleicht hat dem FC Bayern in den vergangenen Tagen diese Hemdsärmeligkeit gefehlt. Innerhalb des Teams schien die Balance verloren gegangen, vor allem die Defensive bereitete dem Ex-Trainer Niko Kovac Probleme und kostete ihm letztlich den Job. Auch Flick betont, dass er den Hebel vor allem bei der Rückwärtsbewegung ansetzen will: „Wir brauchen mehr Intensität im Spiel gegen den Ball.“Am besten soll das schon gegen Olympiakos Piräus am Mittwoch (18.55 Uhr, gelingen.
Dabei mithelfen soll auch eine veränderte Startaufstellung, Flick kündigte „den ein oder anderen Wechsel“an. Zwei personelle Änderungen gab er von sich aus bekannt: „Javi Martínez und Thomas Müller werden spielen, das kann ich jetzt schon sagen.“Der Spanier ist in der Innenverteidigung gesetzt.
Es ist eine Personalplanung mit einer gewissen Konnotation. Denn beide Spieler waren unter Vorgänger Niko Kovac zuletzt außen vor. Müller wurde als Spieler bezeichnet, der dann gebraucht werde, „wenn Not am Mann ist“, während Martínez die Unzufriedenheit über seine Bankdrückerrolle deutlich anzusehen war. Vor dem Heimspiel gegen Hoffenheim verdrückte der Spanier auf der Bank Tränen, weil es wieder nicht für die Startelf gereicht hatte. Flick war es damals, der ihm tröstend den Arm auf die Schulter legte.
Einer, der ebenfalls spielen wird, ist Joshua Kimmich – wo der Nationalspieler zum Einsatz kommt, ließ Flick jedoch offen. Es gilt als offenes Geheimnis, dass der Coach Kimmich lieber in der defensiven Schaltzentrale spielen lassen würde – also dort, wo der 24-Jährige auch in der Nationalelf spielt und er sich selbst auch am liebsten sieht. Rückt Kimmich in die Mitte, könnte es für einen Lieblingsschüler von Ex-Trainer Kovac eng werden: Thiago. Der Spanier war bislang in der Schaltzentrale gesetzt, trotz zuletzt schwankender Leistungen. Kimmich für Thiago – das würde bedeuten: weniger spielerischer Glanz, dafür mehr Griffigkeit.
Ob Flick im Idealfall mehr als nur eine Zwischenlösung sein könnte? Zumal mit Erik ten Hag (Ajax) und Thomas Tuchel (Paris) zwei aussichtsreiche Kandidaten den Bayern eine Absage erteilten. Flick genießt das Vertrauen der Bayern-Bosse. Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge hatte im Vorfeld der Saison Flick als wichtigen Transfer bezeichnet. „Eine große Hilfe für Niko Kovac“sollte der ehemalige CoTrainer der Nationalmannschaft werden, der sich in seiner Zeit beim DFB den Ruf eines Spezialisten für Standard-Situationen und taktische Kniffe erworben hatte. Eigentlich hätte Flick nicht mehr als Assistent arbeiten wollen – der Ruf des FC Bayern änderte das.
Flicks letzte Station als Cheftrainer liegt aber schon eine Weile zurück: Bis 2005 war er Trainer der damals noch drittklassigen TSG Hoffenheim. Ob er sich selbst den Cheftrainerposten vorstellen kann, ließ Flick offen: „Ich kann mir vieles vorstellen.“Wichtig sei es für ihn nun, mit Hermann Gerland einen erfahrenen Co-Trainer an seine Seite bekommen zu haben: „Ich bin froh, dass er mich unterstützt.“
Einen weiteren Vorteil weiß Flick ebenfalls auf seiner Seite: Nach dem peinlichen Auftritt in Frankfurt ist die Mannschaft in der Pflicht – oder, wie es Joshua Kimmich formulierte: „Die Ausrede mit dem Trainer gibt es nicht mehr.“Die Verabschiedung von Niko Kovac am Dienstagvormittag sei auch für die Spieler nicht einfach gewesen: „Wenn ein Trainer gehen muss, ist das auch ein Versagen von uns Spielern.“