Mittelschwaebische Nachrichten

Die GroKo stellt sich gutes Zeugnis aus

Hintergrun­d Doch das Regierungs­bündnis aus Union und SPD droht am Streit um die Bedürftigk­eitsprüfun­g für die Grundrente zu zerbrechen. Bringt ein Gegengesch­äft die Lösung?

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Das Zwischenze­ugnis, das sich die Große Koalition selbst ausstellt, fällt blendend aus. Und klingt nach einem klaren Bekenntnis zur Fortsetzun­g. Tatsächlic­h ist das Bündnis von Union und SPD akut gefährdet. In ihrer 84-seitigen Halbzeitbi­lanz, die unserer Redaktion vorliegt, schreibt die Bundesregi­erung zwar: „Zusammen mit den Bundestags­fraktionen von CDU/ CSU und SPD haben wir viel erreicht und umgesetzt – aber es bleibt auch noch viel zu tun.“Doch zwischen den Partnern tobt ein erbitterte­r Streit. So fordert die SPD, dass die geplante Grundrente ohne eine Bedürftigk­eitsprüfun­g kommen soll – anders als im Koalitions­vertrag vereinbart. In der Union lehnen die einen ein solches Zugeständn­is an die SPD kategorisc­h ab. Andere knüpfen es an Bedingunge­n: Die Genossen sollen einer Entlastung der Wirtschaft zustimmen.

Der Vorsitzend­e des einflussre­ichen Parlaments­kreises Mittelstan­d der CDU/CSU-Bundestags­fraktion, Christian von Stetten (CDU), warnt etwa vor „Kosten von mindestens drei Milliarden Euro jährlich“, die eine Grundrente ohne Bedürftigk­eitsprüfun­g zur Folge hätte. Profitiere­n vom SPD-Modell würden auch Personen, die „andere Alterseink­ünfte oder Vermögen“hätten und darum eine steuerfina­nzierte Unterstütz­ung nicht benötigten. In einem Brief an Bundeskanz­lerin Angela Merkel, der unserer Redaktion vorliegt, schreibt von Stetten: „Aus unserer Sicht darf auf eine Bedürftigk­eitsprüfun­g nicht verzichtet werden.“

Merkel dringt nach Informatio­nen aus der Unionsfrak­tion indes auf einen Kompromiss. Schließlic­h habe die SPD die Frage der Grundrente eng mit dem Fortbestan­d der GroKo verknüpft. Auch CSU-Chef Markus Söder hatte jüngst eine Zustimmung zu den Grundrente­n-Plänen angedeutet – wenn die SPD im Gegenzug eine Senkung von Unternehme­nssteuern und Stromkoste­n mittrage. Im Hintergrun­d laufen nun die Verhandlun­gen auf Hochtouren.

Carsten Schneider, Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der SPDBundest­agsfraktio­n, bekräftigt­e am Mittwoch, dass die Grundrente für seine Partei eine „entscheide­nde Frage“sei. Dass Menschen nach 35 Arbeitsjah­ren eine Rente über dem Niveau der Grundsiche­rung bekämen, sorge für sozialen Frieden und mehr Kaufkraft im Land. Schneider deutete allerdings an: „Über Stellschra­uben kann man reden.“Zuletzt war davon die Rede, dass statt des kompletten Vermögens lediglich das laufende Einkommen möglicher Grundrente­n-Bezieher geprüft werden solle. Umgekehrt schließt Schneider nicht aus, dass seine Partei Union und Wirtschaft in dem einen oder anderen Punkt entgegenko­mmt. Für einen Steuersenk­ungswettbe­werb sehe die SPD zwar keine ökonomisch­e Notwendigk­eit. „Den Unternehme­n kommt das Geld zu den Ohren heraus, das sollten sie investiere­n“, sagte er. Doch wenn es jetzt um den Bundeshaus­halt gehe, müssten die Investitio­nen in die Infrastruk­tur verstärkt werden, um dem Bausektor eine langfristi­ge Perspektiv­e zu geben. Dies werde die Konjunktur stabilisie­ren. Ebenso sei eine bessere Förderung der Forschung von Unternehme­n denkbar.

Auch aufseiten der Union gibt es vorsichtig­e Entspannun­gssignale. Unionsfrak­tionsvize Georg Nüßlein (CSU) sagte unserer Redaktion: „Momentan testen wir aus unterschie­dlicher Motivation die Wettbewerb­sfähigkeit unserer Wirtschaft. Grundrente und Klimaschut­z sind dabei ehrenwerte Motive.“Eine verantwort­ungsvolle Regierung müsse aber den Ausgleich im Blick haben. Nüßlein: „An der von Markus Söder vorgeschla­genen Unternehme­nssteuerre­form kann die SPD zeigen, ob sie noch eine verantwort­ungsvolle Regierungs­fraktion ist.“Die Hoffnung habe er jedenfalls noch nicht aufgegeben.

Bundeskanz­lerin Merkel und Vizekanzle­r Olaf Scholz (SPD) haben die Große Koalition bei der Präsentati­on der Halbzeitbi­lanz als „arbeitsfäh­ig und arbeitswil­lig“bezeichnet. Von 300 geplanten großen Maßnahmen seien zwei Drittel umgesetzt oder auf den Weg gebracht worden. Auf den Grundrente­nStreit gingen sie nicht ein. In der Bilanz steht das Thema unter den noch umzusetzen­den Vorhaben. Zur Frage der Bedürftigk­eitsprüfun­g heißt es da: „Die Grundrente soll zielgenau sein und denen zugutekomm­en, die sie brauchen.“

Am Sonntag treffen sich die Spitzen der Koalition zum nächsten Anlauf, den Konflikt beizulegen.

SPD will Investitio­nen in die Infrastruk­tur

 ?? Archivfoto: Wolfgang Kumm, dpa ?? Im März 2018 präsentier­ten die Bundeskanz­lerin Angela Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer und der damalige kommissari­sche SPD-Vorsitzend­e Olaf Scholz den Koalitions­vertrag. Viel erreicht, aber noch viel zu tun – so lautet die Halbzeitbi­lanz, die die Große Koalition selbst erstellt hat.
Archivfoto: Wolfgang Kumm, dpa Im März 2018 präsentier­ten die Bundeskanz­lerin Angela Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer und der damalige kommissari­sche SPD-Vorsitzend­e Olaf Scholz den Koalitions­vertrag. Viel erreicht, aber noch viel zu tun – so lautet die Halbzeitbi­lanz, die die Große Koalition selbst erstellt hat.

Newspapers in German

Newspapers from Germany