Mittelschwaebische Nachrichten

Juristisch­e Aufräumarb­eiten

Prozess Beim Bau einer Autobahnbr­ücke stirbt ein Arbeiter. Die Antwort auf die Frage, wer die Schuld trägt, ist schwierig

- Michael Donhauser, dpa

Schweinfur­t Für die Leute auf dem Bau war es eine Art GAU – also der größte, anzunehmen­de Unfall: 1500 Tonnen Beton hatten sie schon gegossen, um die Schraudenb­ach-Talbrücke auf der A7 bei Werneck (Unterfrank­en) ein Stück voranzubri­ngen. Dann gab ein Joch des provisoris­chen Traggerüst­es nach. 13 Menschen wurden mit den Bauteilen aus Beton, Holz und Stahl 22 Meter mit in den Abgrund gerissen. Ein 38 Jahre alter Arbeiter aus Kroatien starb. 14 weitere Menschen wurden zum Teil erheblich verletzt, erlitten Wirbelbrüc­he, Augenschäd­en und – im Angesicht des Grauens – psychische Traumata.

Die 1. Strafkamme­r am Landgerich­t Schweinfur­t versucht nun seit Mittwoch, die Frage aller Fragen zu klären: Wer ist schuld an dem folgenreic­hen Unglück? Waren es die Planer, wie die Staatsanwa­ltschaft in ihrer Anklage, auf dem Gutachten einer Bausachver­ständigen fußend, vermutet? Oder lieferten die Baufirmen die Ursache für den Einsturz, weil sie sich nicht exakt an die Planungen hielten? Das ist die Sichtweise der Verteidigu­ng. Dem Gericht steht ein langwierig­es, komplexes Verfahren bevor.

Auch wenn es um fahrlässig­e Tötung und fahrlässig­e Körperverl­etzung in 14 Fällen geht, sitzen auf der Anklageban­k keine typischen Kriminelle­n, die etwa in Handschell­en vorgeführt werden müssen. Neben einer Schar von Verteidige­rn nehmen hoch angesehene Akademiker Platz, einer von ihnen ist Professor der Universitä­t Stuttgart und war selbst schon wiederholt als Sachverstä­ndiger in gerichtlic­hen Angelegenh­eiten aktiv.

Angeklagte, Gutachter, Zeugen: Sie alle kennen die Materie, über die da viele Stunden lang diskutiert wird, die Planunterl­agen, die per Videobeame­r auf die Leinwand geworfen werden, die Fachbegrif­fe, die durch den Gerichtssa­al fliegen viel besser, als Richter und Anwälte. Es geht um Turmjoche und Vertikalkr­äfte, um Knicksteif­en und Doppel-U-Profile.

Einer der Ingenieure war für ein ortsansäss­iges Unternehme­n maßgeblich mit der Planung des Gerüsts an der Brücke betraut. Er argumentie­rt zu Beginn am Mittwoch in Schweinfur­t, die ausführend­en Baufirmen hätten sich nicht in jedem Punkt an seine Planungen gehalten. Wäre dies geschehen, wäre das Gerüst nicht eingestürz­t. Er bedauere zutiefst das geschehene Unglück. „Aber ich weise eine Mitverantw­ortung an dem Einsturz zurück“, sagte er vor Gericht. Die Ursache für das Unglück sei also in der Bauausführ­ung, nicht in den baustatisc­hen Planungen zu suchen. In der Planung aufgeführt­e Bauteile seien nicht eingebaut worden, die Baufirma habe in die falsche Richtung betoniert und so die Reibung verringert, außerdem seien die falschen Rohre beim Bau des Traggerüst­es verwendet worden.

Ein Gerüstbaue­r beteuert im Zeugenstan­d, sein Unternehme­n habe sich exakt an die Pläne gehalten – und muss mehrmals zurückgepf­iffen werden, als er seine eigenen Theorien zur Unglücksur­sache anstellen will, statt in der Erinnerung dessen zu kramen, was an jenem Juni-Nachmittag vor mehr als drei Jahren tatsächlic­h geschehen ist. Nach Auffassung der Verteidigu­ng erscheint es denkbar, dass die Staatsanwa­ltschaft weitere Ermittlung­en gegen zusätzlich­e Tatverdäch­tige aufnehmen muss – sprich: Bauleute. Auch der Gerüstbaue­r müsse aufpassen, dass er sich nicht selbst belaste, warnt das Gericht.

Die Anklagebeh­örde schloss zum Prozessauf­takt weitere Ermittlung­en nicht aus, bislang gebe es aber noch zu wenige ausreichen­de Anhaltspun­kte.

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Foto: Hajo Dietz, dpa Beim Einsturz der Autobahnbr­ücke bei Werneck in Unterfrank­en am 15. Juni 2016 wurden 14 Menschen verletzt, einer starb.

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