Mittelschwaebische Nachrichten
Bürger sollen Markenkern ihrer Heimat erarbeiten
Entwicklung Vor 20 Jahren wurde dem Landkreis von oben herab ein Leitbild verordnet. Bei der Erneuerung dieser Leitsätze sollen die Menschen der Region mitwirken und so die Identifikation mit dem Kreis Günzburg gestärkt werden
Landkreis Der Landkreis Günzburg schmückt sich gerne mit dem Etikett der „Familien- und Kinderregion“. Dieses Leitbild wurde 1999 von der Hochschule Augsburg entwickelt, in verschiedenen Gremien diskutiert und dann im Jahre 2000 im Kreistag beschlossen.
Bei Unternehmen würde man von einer Corporate Identity sprechen, eine Art Markenkern, mit dem man sich identifizieren kann. Ziel des Leitbildes ist, einzelne politische Maßnahmen und Verwaltungshandeln unter diesem Label zu bündeln und dadurch Synergieeffekte zu nutzen und die Maßnahmen insgesamt wirksamer zu machen. Der Landkreis hat im August mit Ariane Zischak eine zusätzliche Mitarbeiterin eingestellt, die sich mit der Fortentwicklung des Leitbildes beschäftigen soll. Das Leitbild macht den Kreis im Vergleich zu anderen Regionen unterscheidbar und im besten Fall attraktiver und bindet seine Bürger somit langfristig an die Region. So weit zur Theorie. Im Jahr 2000 wurden vier Leitsätze formuliert: 1. Wir sichern ein hohes Maß an Lebensqualität. 2. Wir fördern das vielfältige, wirtschaftliche Spektrum. 3. Wir sind eine Familienund Kinderregion. 4. Die Einheit des Landkreises ist uns wichtig. Damit diese trockenen Worthülsen mit Leben gefüllt werden, wurden eine ganze Reihe praktischer Maßnahmen daraus abgeleitet. Neben einem Logo wurde etwa 2006 das Lokale Bündnis für Familie Landkreis Günzburg gegründet, aus dem sich etwa das Freiwilligenzentrum Stellwerk sowie verschiedene Beratungsstellen für Familien, Alleinerziehende oder auch Patenangebote ableiteten.
Jetzt, 20 Jahre später, soll dieses Leitbild modernisiert und auf die neuen Herausforderungen der Zeit angepasst werden. „Vollbeschäftigung ist jetzt nicht mehr unser Thema, jetzt geht es darum, den Fachkräftemangel zu beheben“, nennt Zischak als Beispiel. Zusammen mit dem Landratsamt hat die Regionalmarketing Günzburg ein Konzept für die neue „Leitbildentwicklung“erstellt und sich damit für ein Modellprojekt des Bayerischen Wirtschaftsministeriums beworben. Den Zuschlag mit den entsprechenden Fördergeldern hat das Konzept erhalten, sodass das Projekt „Leitbildentwicklung“jetzt begonnen wurde. Dieses Mal soll es aber nicht mehr von oben herab ohne Bürgerbeteiligung, sondern gemeinsam mit den Menschen im Kreis erarbeitet werden. Bereits im Juli fand ein
Bürgermeisterseminar statt, bei dem die Schwerpunkte herausgearbeitet wurden. Im Januar sollen dann mit zwei Zukunftskonferenzen die Bürger verstärkt eingebunden werden. Damit möglichst viele Personen teilnehmen können, werden zwei Veranstaltungen zur Wahl angeboten: am Freitag, 24. Januar, von 14 bis 18 Uhr in Krumbach in der neuen FOS/BOS oder am Samstag, 25. Januar, von 9 bis 13 Uhr in Günzburg im Sparkassensaal. Gut 100 Teilnehmer aus der Bürgerschaft, der Politik, der Wirtschaft, von Vereinen und Verbänden sollen sich einbringen. Bewusst wurde dabei nicht die Stadt Günzburg ins Zentrum gestellt. Ariane Zischak ist die Ansprechpartnerin für Organisation und Bewerbung der Teilnehmer. Das inhaltliche Konzept wird von dem Projektpartner Verein für familiengerechte Kommune gestaltet. Im Februar wird es dann eine Konferenz für Senioren und Menschen mit Inklusionshintergrund geben, im März wird eine Jugendkonferenz gestaltet. Dazu sollen Arbeitsgruppen die Schwerpunkte aus dem Bürgermeisterseminar ausarbeiten. Die Teilnehmer hierfür werden in den Konferenzen, unter anderem durch persönliche Ansprache akquiriert. Auch unter Federführung des Vereins familiengerechte Kommune wird zusammen mit der Uni Augsburg über Interviews, Wettbewerbe und Befragungen ein Meinungsquerschnitt der Landkreisbevölkerung ermittelt. Im Herbst kommenden Jahres werden die ersten Ergebnisse aus den Konferenzen und Arbeitsgruppen in einer Zwischenkonferenz vorgestellt und unter Einbeziehung des neuen Landrats, des Oberbürgermeisters, der jeweils neuen und alten Kreisräte sowie Bürgermeister diskutiert. Im Mai 2021 wird dann die Abschlusskonferenz stattfinden.
Zischak ist es wichtig, dass möglichst viele Anregungen von den Bürgern kommen. „Die Akzeptanz ist größer, wenn die Menschen mit eingebunden sind“, sagt sie. Man wolle ja erreichen, dass sich die Bürger mit ihrem Landkreis identifizieren. „Selbst, wenn man sich über einzelne Maßnahmen oder Ergebnisse aufregt, und mit jemandem darüber redet, beginnt schon das Nachdenken darüber“, sagt Zischak. Wichtig ist, dass das Leitbild und seine Ziele kommuniziert würden.