Mittelschwaebische Nachrichten
Von Hexern und Monstern
Buchtipp „Der letzte Wunsch“ist Fantasy für Erwachsene mit sozialkritischem Charakter
Landkreis Elfen, Magier, Zwerge und verwunschene Artefakte. An das denken die meisten, wenn sie Fantasy hören. Dass das auch fernab von allen Klischees funktioniert, beweist der polnische Autor Andrzej Sapkowski mit seinen Büchern um den Hexer Geralt. Bekannt ist die Welt der Bücher unter anderem durch die erfolgreiche Videospielreihe „Witcher“des polnischen Entwicklerstudios CD Projekt Red. Der letzte Teil der Game-Adaption erreichte Verkaufszahlen von über 33 Millionen.
Die Hexer-Saga erstreckt sich über fünf Bücher. Im Fokus der Geschichte stehen Geralt und seine Begleiter, die er über die Reise findet. Gemeinsam sind sie auf der Suche nach Geralts Ziehtochter Cirilla, die nach einem Unglück auf der Insel Thanedd verschollen ist. Doch leider sind sie nicht die Einzigen, die
Interesse an dem besonderen Mädchen haben. Kaiserreiche, fremde Völker blutrünstige Attentäter: Jeder scheint seine eigenen Pläne mit ihr zu haben. Auf der verzweifelten Suche verstricken sich die Protagonisten
immer mehr in politische Intrigen. Schnell gestaltet sich die Reise zu einer Odyssee voller Gefahren und Herausforderungen.
Obwohl die Hexer-Saga Kernelemente der Fantasy, wie Magie, Monster, Zwerge und Elfen aufgreift, ist sie deutlich mehr als nur ein weiterer Fantasyschinken mit abgenutzten Klischees. Sapkowski parodiert nämlich gezielt die stereotypischen Handlungsabläufe und Elemente einer gewöhnlichen Fantasygeschichte. Die realitätsgetreue Darstellung von Themen wie Krieg und die politischen Machtkämpfe sorgen für eine raue und zutiefst menschliche Welt. Charaktere wie der Hexer Geralt, seine Ziehtochter Cirilla oder der intelligente Vampir Regis wirken lebendig. Über die Bücher wachsen und entwickeln sich Haupt- wie Nebencharaktere stark weiter, wodurch der Leser eine enge Bindung aufbaut. Den letzten Band legt man nur schmerzlich aus der Hand.
Sapkowski schafft mit seiner fast schon lakonisch, zynischen Schreibweise Dialoge, die zum Schmunzeln, aber auch zum Nachdenken anregen. Kontroverse Themen wie Rassismus oder Frauenrechte werden angeschnitten, was den Handlungen und Gesprächen sozialkritischen Charakter verleiht. Anstatt dem Leser alle Motive und Anspielungen auf die Nase zu binden, integriert Sapkowski diese authentisch in seine Welt. Mit fünf Büchern ist die Geschichte komplex und vielschichtig, verliert den roten Faden trotzdem nie. Auch die Ambivalenz der Figuren und der detailreiche Weltenbau sorgen für Tiefgang. Selten findet man fremde, imaginäre Welten, die sich so echt anfühlen. Die Inspiration ist es zumindest: Viele Geschichten,
Regionen und Völker basieren auf europäisch, vor allem slawischer Kultur. Wer erwachsene Fantasy mit einer sozialkritischen Note, brillant geschriebenen Charakteren und Dialogen, und eine düstere Atmosphäre möchte, der ist bei den Hexer-Büchern von Sapkowski genau richtig.
Achtung: Zuerst sollte man sich über die leicht unübersichtliche Chronologie der Bücher informieren. Vor der Hauptsaga, die mit „Das Erbe der Elfen“beginnt, spielen nämlich die beiden Kurzgeschichtenbände „Der letzte Wunsch“und „Das Schwert der Vorsehung“. Da diese zur Exposition gedacht sind, sollte man hier anfangen. (endp)
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Andrzej Sapkowski: „Der letzte
Wunsch“, ISBN: 978-3-423-20993-9, dtv, 9,95 Euro.