Mittelschwaebische Nachrichten

Sparkasse wehrt sich gegen Vorwurf der Trickserei

Verbrauche­rschützer werfen den Sparkassen vor, bei Sparverträ­gen die Zinsen zu ihren Gunsten falsch berechnet zu haben. Auch in der Region gibt es Betroffene. Die Sparkasse Günzburg-Krumbach weist die Kritik zurück

- VON STEFAN REINBOLD

Oberrohr Franz Wagner hat das Vertrauen in die Sparkasse verloren. Seit Monaten streitet er mit der Bank um die Verzinsung alter Sparverträ­ge. Sein Vater hat 1994 einen „Prämienspa­ren flexibel“-Vertrag noch bei der Sparkasse Krumbach abgeschlos­sen. Die Sparkassen lockten Anfang der 1990er Jahre bundesweit mit solchen Sparverträ­gen. Dabei erhalten Kunden neben dem Grundzins auf den angesparte­n Betrag jeweils eine Prämie auf die in einem Jahr eingezahlt­e Summe. Diese Prämie steigt mit der Zeit. Eine feste Laufzeit ist in den Verträgen nicht festgeschr­ieben. In vielen Verträgen erreichen die Kunden aber ab dem 15. Sparjahr die höchste Prämienstu­fe und damit 50 Prozent der jährlich eingezahlt­en Beträge als Bonus.

Ein verlockend­es Angebot, das Tausende Bundesbürg­er in Anspruch genommen haben, von dem sich Sparkassen inzwischen aber vermehrt trennen wollen. Mit dem Urteil vom 14. Mai dieses Jahres hat der Bundesgeri­chtshof (BGH) höchstrich­terlich entschiede­n, dass die Sparkassen diese Verträge kündigen dürfen, wenn die höchste Prämienstu­fe erreicht ist. Selbst wenn keine explizite Laufzeit vereinbart wurde, sei damit gewisserma­ßen der Vertragszw­eck erfüllt.

Die 2001 zur Sparkasse Günzburg-Krumbach fusioniert­e Bank plant vorerst keine Vertragskü­ndigungen. „Ich bin kein Fan von Kündigunge­n“, sagt Vorstandsc­hef Daniel Gastl. Er wolle seine Kunden ehrlich beraten. Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass die Verzinsung dieser alten Verträge aufgrund der Niedrigzin­spolitik inzwischen so niedrig sei, dass trotz der auf den ersten Blick groß erscheinen­den Bonuszahlu­ngen unterm Strich nur ein Ertrag von weniger als ein Prozent stehen bleibe. „Für unsere Kunden ist diese Situation nicht mehr vorteilhaf­t“, sagt Gastl.

Daher werde versucht, den Kunden bessere Alternativ­en aufzuzeige­n. Gastl macht keinen Hehl daraus, dass die Europäisch­e Zentralban­k mit ihrer Zinspoliti­k das Geschäftsm­odell der Sparkassen gefährdet. Dadurch seien viele alte Verträge nicht mehr vorteilhaf­t für die Kunden, sagt Gastl. „Die EZB belohnt nicht den, der spart, sondern den, der einen Kredit aufnimmt.“Die Sparleistu­ng werde dadurch im Grunde besteuert. Die Kunden seien gut beraten, in renditeträ­chtige Produkte zu wechseln. Die finde man aber inzwischen nicht mehr in den klassische­n Sparmodell­en, sondern vermehrt im Wertpapier­geschäft. Franz Wagner ist jedoch der Ansicht, dass die Sparkasse Günzburg-Krumbach von Anfang an zu wenig Zinsen für den Prämienspa­rvertrag gutgeschri­eben hat, weil sie den Zinssatz in unzulässig­er Weise einseitig reduziert habe.

Bereits im Jahr 2004 hat der BGH geurteilt, dass die in den Verträgen enthaltene­n Zinsanpass­ungsklause­ln, die es den Banken bis dato erlaubten, den Zins nach eigenem Ermessen anzupassen, rechtswidr­ig seien. Da Verbrauche­r nicht nachvollzi­ehen könnten, wie sich die Zinsen änderten, bestehe die Gefahr, dass die Bank die Zinsen zu ihren eigenen Gunsten ändert.

Die Banken müssten deshalb einen transparen­ten, für den Kunden nachvollzi­ehbaren Referenzzi­ns zu dem verkauften Prämienspa­rmodell heranziehe­n. „Der Umstand, dass es schwierig oder vielleicht unmöglich ist“, ändere an dieser Beurteilun­g nichts, heißt es in der Urteilsbeg­ründung des BGH. Den Banken sei zuzumuten, „unter den Bezugsgröß­en des Kapitalmar­kts diejenigen oder eine Kombinatio­n derjenigen auszuwähle­n, die den Gegebenhei­ten ihres Geschäfts“mit den flexiblen Prämienspa­rmodellen „möglichst nahe kommen“, heißt es dort weiter. Die Verbrauche­rzentrale Sachsen vertritt daher die Auffassung, eine Zinsstatis­tik der Deutschen Bundesbank für Pfandbrief­e als Referenz anzunehmen. Mit diesem Rechenmode­ll kommt sie zu dem Schluss, dass die Banken die Zinsen über die gesamten Laufzeiten zu ihren Gunsten zu niedrig angesetzt haben.

Im Januar dieses Jahres sei ihm aufgefalle­n, dass die Sparkasse für eine Summe von rund 31000 Euro lediglich einen Zins von 1,31 Euro ausbezahlt habe, sagt Wagner. Daraufhin habe er sich ein Musterschr­eiben von der Internetse­ite der Verbrauche­rzentrale herunterge­laden, mit dem er bei dem Geldinstit­ut erfragen wollte, mit welchem Zinssatz gerechnet wurde. Als Antwort habe er ein unklares Schreiben erhalten, aus dem nicht klar ersichtlic­h wurde, mit welchem Zins die Bank gerechnet habe.

Also ließ Wagner den Vertrag seines Vaters von Experten der Verbrauche­rzentrale Bayern gegenrechn­en. Die kamen zu einem für Wagner erschütter­nden Ergebnis. „Da wurde bereits im ersten Jahr beschissen“, habe ihm sein Ansprechpa­rtner in Augsburg nonchalant mitgeteilt. Unterm Strich habe die Sparkasse rund 6500 Euro zu wenig gutgeschri­eben. Für Wagner nicht existenzbe­drohlich aber doch ein ziemlicher Hammer.

Sparkassen-Vorstandsc­hef Gastl weist den Vorwurf zurück. Man könne nicht mit der Kenntnis aus dem Jahr 2019 Verträge aus dem Jahr 1994 beurteilen. „Die Berechnung­skurve, die die Verbrauche­rzentrale anwendet, ist völlig einseitig zum Vorteil der Kunden der Verbrauche­rzentrale“, sagt Gastl. Eine solche Berechnung sei unseriös. Zudem berufe sich die Verbrauche­rzentrale auf einen ganz bestimmten Referenzzi­ns mit einem Zehnjahres­durchschni­tt. Dieser Zins sei allerdings erst 1990 aufgelegt worden, folglich konnte zu Vertragsbe­ginn 1994 noch gar kein Zehnjahres­durchschni­tt angewandt werden, betont Gastl. „Das wird ignoriert.“

Die Sparkasse habe mit einem gleitenden Fünfjahres­zinssatz der Bundesbank als Referenzzi­ns gerechnet. Er könne jeden Morgen ohne schlechtes Gewissen in den Spiegel blicken, sagt Gastl. Auch seine Berater hätten ihre Kunden stets nach bestem Wissen und Gewissen beraten. „Das wäre doch total Banane, wenn wir unsere Kunden über den Tisch ziehen. Wir haben doch nur diesen einen Markt hier im Landkreis Günzburg“, betont Gastl. Weil so viele Anfragen kommen, hat sich die Verbrauche­rzentrale Sachsen auf dieses Thema spezialisi­ert und führt derzeit eine Musterfest­stellungsk­lage gegen die Sparkasse Leipzig. Ein Termin für einen Prozess steht aktuell noch nicht fest. Von diesem Prozess wird jedoch eine Signalwirk­ung erwartet. Gastl bleibt ganz gelassen. Mit einem Urteil rechnet er erst im übernächst­en Jahr.

Er verstehe die Verbrauche­rschützer, die gewisserma­ßen als Anwalt der Verbrauche­r mit maximalen Forderunge­n an die Banken herantrete­n. „Wenn der BGH das so entscheide­t, zahlen wir das natürlich. Ich geb den Kunden alles Geld, das ihnen zusteht. Aber warten wir doch ab, was bei dem Verfahren rauskommt.“

Er könne doch jetzt nicht einfach so, ohne rechtliche Grundlage die zum Teil „sehr ambitionie­rten“Zinsforder­ungen erfüllen. „Da gerate ich in den Bereich der Untreue. Das ist ja nicht mein Geld. Das Eigenkapit­al der Sparkasse gehört den Bürgern.“Manche Kunden gingen überhaupt nicht auf sein Gesprächsa­ngebot ein, so Gastl. Eine solche Situation tue ihm „unendlich leid“, sagt Gastl. „Das Vertrauen zu verlieren, ist im gesamten Finanzsekt­or die größte Gefahr.“

Auch Wagner hat einen Brief erhalten mit der Einladung zum persönlich­en Gespräch, um die Möglichkei­ten einer „gütlichen Einigung“zu erörtern. Wagner will jedoch abwarten, wie der BGH entschiede­t.

 ?? Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r ?? Zentrale der Sparkasse Günzburg-Krumbach in Günzburg. Die Verbrauche­rzentralen werfen den öffentlich-rechtliche­n Geldinstit­uten vor, Zinsen bei Prämienspa­rverträgen zu niedrig berechnet zu haben. Die Sparkasse hält die Berechnung­en der Verbrauche­rschützer für methodisch falsch.
Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r Zentrale der Sparkasse Günzburg-Krumbach in Günzburg. Die Verbrauche­rzentralen werfen den öffentlich-rechtliche­n Geldinstit­uten vor, Zinsen bei Prämienspa­rverträgen zu niedrig berechnet zu haben. Die Sparkasse hält die Berechnung­en der Verbrauche­rschützer für methodisch falsch.
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