Mittelschwaebische Nachrichten
Gelassen
17 Uhr. Ein Touristen-Örtchen in Italien erwacht zum Leben. Die Straßen füllen sich mit Menschen, Jung und Alt belegen Cafés. Kleine Hunde zerren an Leinen. Ich stehe mit meiner Schäferhündin vor einem Schaufenster und warte auf meinen Mann, als sich ein junges Paar meinem Hund nähert. Der Mann streckt ihm die Hand hin. So etwas habe ich gar nicht gern. Man nähert sich nicht fremden Hunden, ohne den Halter um Erlaubnis zu fragen. Doch meine Hündin blickt nur kurz auf. „Indifferente“, sagt der junge Mann zu seiner Partnerin. Dann gehen sie weiter.
Mein Ärger über das leichtsinnige und unhöfliche Verhalten des Mannes ist verflogen. Er hat bestätigt, worauf ich stolz bin: „Indifferente“ist mein Hund, das heißt, „gleichgültig“im besten Sinne des Wortes, besser gesagt „gelassen“. Erfolgreich erzogen. Mein Hund lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, wedelt nicht wie besessen, zeigt keine Nervosität, keine Aggression. Gelassen lässt er das fremde Pärchen ziehen, das sich ihm genähert hat. Braver Hund!
Wieder einmal hat mich mein Hund etwas gelehrt: Gelassenheit. Fremde Menschen, die ihre Individualdistanz für kurze Zeit unterbrochen haben, lassen ihn kalt. Warum reagieren wir Menschen eigentlich nicht so? Warum regen wir uns so über Kleinigkeiten im Alltag auf? Der Mann, der langsam an der Ampel bei Grün anfährt, der letzte Parkplatz, den ein anderer erwischt hat. Die mürrische Verkäuferin, das ungestüme Kind. Wenn sich uns jemand zu sehr genähert hat, uns „zu nahe getreten“ist, flippen wir aus, pöbeln zurück. Nein, ich meine nicht Situationen, in denen uns wirklich Unrecht geschehen ist, uns jemand mit Absicht „ans Bein gepinkelt“hat; dagegen darf man sich wehren. Auch mein Hund stellt die Haare auf, wenn ihm jemand blöd kommt. Doch wenn uns im Alltag wieder einmal der Blutdruck vor Ärger steigt: Bleiben wir gelassen. Es ist die Aufregung nicht wert. Und schadet der Gesundheit.