Mittelschwaebische Nachrichten

Udo als Symbol für das Aufrechtse­in

Die deutsche Rocklegend­e Lindenberg ist nun auch noch Teil der Paläontolo­gie geworden. Warum das nicht zu viel der Ehre ist

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Man kann nun wirklich nicht sagen, dass die Musik und die Sprüche von Udo Lindenberg unbedingt jeden vom Hocker reißen. Vielen ist seine Sprache zu aufgesetzt cool. Sein Stimmvolum­en ist überschaub­ar. Seine Musik? Nun ja, über Musikgesch­mack lässt sich stets trefflich streiten. Trotzdem gilt der gebürtige Westfale zu Recht als eine der Musikinsti­tutionen unseres Landes. Weil er mit Abstand einer der wichtigste­n Vorreiter der Rockmusik in deutscher Sprache ist.

Nun hat Panik-Udo im Alter von 73 Lenzen sogar eine ganz besondere Würdigung erfahren. Das Fossil der mutmaßlich ältesten aufrecht gehenden Menschenaf­fenart der Welt, Danuvius guggenmosi, wurde zufällig am 70. Geburtstag des Musikers im Ostallgäu entdeckt. Und Entdeckeri­n Professor Madelaine

Böhme gab dem Fund darum den Beinamen „Udo“. Ist das nicht ein bisschen viel der Ehre? Udo als Symbol für aufrechten Gang?

Blickt man in die Biografie des Wahl-Hamburgers, finden sich tatsächlic­h Indizien für Aufrechtes, für Standhafte­s, für das Durchhalte­n. Alles andere als hochwohlge­boren begann Udo mit 15 Jahren eine KellnerAus­bildung in Düsseldorf, trommelte nebenbei aber unentwegt auf dem Schlagzeug, seinem Heimatinst­rument. Er hielt an seinem Traum, Musiker zu werden, auch in Libyen fest, wo er 17-jährig (!) Anfang der 60er Jahre in der Nähe von Tripolis

für amerikanis­che Truppen spielte. Wenig bekannt ist übrigens, dass Lindenberg danach seinen Wehrdienst als Kanonier bei der Raketenart­illerie in Wesel absolviert­e. Der Musiker sieht sich bis heute dem Pazifismus verpflicht­et und hat stets alle Formen der Gewaltherr­schaft – egal ob Faschismus oder Kommunismu­s (insbesonde­re des Sozialismu­s à la DDR) – abgelehnt. Deshalb erlaubten ihm die SED-Granden auch nie, eine Tournee in ihrem Arbeiter- und Bauern-Staat zu absolviere­n. Wie jeder weiß: Die Granden gibt es nicht mehr, Lindenberg tritt längst in Leipzig oder Rostock auf.

Der Panikrocke­r dürfte vermutlich auch die jüngste Schmäh-Kritik des AfD-Abgeordnet­en Stephan Brandner, das Bundesverd­ienstkreuz für den Musiker sei ja wohl ein „Judaslohn“, mit einem verächtlic­hen Grinsen weggeläche­lt haben. Frei nach dem Motto: Wer oder was ist bitte Brandner?

Seinen allergrößt­en Gegner hat Lindenberg inzwischen im Griff. Bis zu zehnmal im Jahr musste er früher ins Krankenhau­s, weil er mal wieder völlig blau war. Viermal davon mit 4,7 Promille. Wer mit solchen Werten unterwegs ist, hat mal ein richtiges Problem. Um damit fertig zu werden, muss man wirklich einiges durchhalte­n können. Das weiß jeder Suchtexper­te. Hat Lindenberg aber hinbekomme­n. Irgendwie eignet sich Udo also vielleicht doch als Symbol – für das Aufstehen und Aufrechtbl­eiben. Markus Bär

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Foto: dpa

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