Mittelschwaebische Nachrichten
Maaßens Mission
Asyl Vor einem Jahr wurde Hans-Georg Maaßen als Chef des Inlandsgeheimdienstes abgesetzt. Ein Auftritt in Augsburg zeigt, dass er damit noch immer hadert. Jetzt sieht er sich als Kämpfer für einen „Politikwechsel“und spaltet damit die CSU vor Ort
Augsburg Es ist ein Umfeld, eigentlich wie geschaffen für einen ehemaligen Geheimdienstchef. HansGeorg Maaßen, 56, sitzt allein an einem Tisch im Restaurant des Augsburger Kolpinghauses. Er macht sich ein paar Notizen, gleich wird er vor über 200 Menschen sprechen. In derselben Straße im Domviertel liegt auch ein Treff der linken Szene. Eine Gasse weiter befindet sich im Keller eines Wohnhauses eine Moschee, die als Anlaufstelle für Salafisten gilt. Er ist, könnte man sagen, umzingelt von Gegnern.
Doch davon bekommt HansGeorg Maaßen nicht viel mit. Etwa 30 Menschen protestieren vor dem Kolpinghaus friedlich gegen seinen Auftritt. Die Zahl der Polizisten, die rund ums Gebäude Stellung bezogen hat, ist größer. Der Saal ist schon zehn Minuten vor dem Beginn so voll, dass Gäste abgewiesen werden müssen. Angekündigt ist nicht weniger als ein „Lagebericht“zu Deutschland. Allerdings spricht Maaßen nicht mehr als Geheimdienstler. Der Ex-Präsident des Verfassungsschutzes ist nun Wahlkämpfer, auch wenn aktuell keine Wahlen anstehen. Er sieht sich als Kämpfer für einen „Politikwandel“.
Der promovierte Jurist ist oft prominenter Gast der sogenannten Werteunion – einer innerparteilichen Opposition, die sich für „konservative“und „wirtschaftsliberale“Werte einsetzen will. Und die Kanzlerin Angela Merkel lieber heute als morgen in den Ruhestand schicken
Im Unterschied zur Kanzlerin befindet sich Maaßen bereits im einstweiligen Ruhestand.
Es ist ein Jahr her, dass er als Chef des Verfassungsschutzes abgesetzt wurde. Er geriet in die Kritik, weil er via Bild die Vorgänge nach einer tödlichen Messerattacke in Chemnitz bewertete. Er bezweifelte damals, dass es nach der Tat „Hetzjagden“auf Ausländer gegeben habe. Später sprach er von „linksradikalen Kräften“in der SPD. Dass es in Chemnitz rechtsextreme Demonstrationen gab und es auch zu Ausschreitungen kam, ist inzwischen unbestritten. Maaßen bleibt aber dabei, dass es keine „Hetzjagden“gegeben habe. Und er hat es nicht verwunden, dass ihn sein Statement am Ende den Job gekostet hat. Zumal er die Zitate vorab per SMS mit Innenminister Horst Seehofer (CSU) abgestimmt habe, wie er unserer Redaktion sagt.
Die Entlassung aus dem wichtigen Amt und die Kritik, die ihm dabei entgegenschlug, haben ihn verletzt. Das ist herauszuhören aus seiner gut einstündigen Rede. In Augswürde. burg wird er mit lauten Beifall begrüßt. Er sagt, das tue ihm „persönlich gut“. Er sagt, er hätte es bequem haben können nach seinem Sturz. Er hätte sich ins Private zurückziehen können. Aber, so lobt er sich, aus „Sorge um Deutschland“müsse er sich zu Wort melden.
Was folgt, ist eine Abrechnung mit der Politik der Bundesregierung. Er kritisiert, dass Deutschland seit dem Jahr 2012 fast zwei Millionen Asylbewerber aufgenommen habe. Angesichts dieser Zahlen müsse sich keiner wundern, wenn man jetzt über Wohnungsnot oder Lehrermangel rede. Er formuliert es so: „Es sind in den vergangenen Jahren Großstädte von Menschen hinzugekommen; die dafür nötige Infrastruktur muss man erst einmal erarbeiten.“
Maaßen hat in den neunziger Jahren im Innenministerium gearbeitet. Er war maßgeblich an der politisch gewollten Verschärfung des Asylrechts und an strengeren Regeln zur Zuwanderung beteiligt. Damals wurde auch die Drittstaaten-Regelung eingeführt. Sie besagt, dass jeder, der über ein sicheres Land nach Deutschland reist, hier kein Asyl beantragen kann. Eine Vertreterin des UN-Flüchtlingshilfswerks kritisierte das einmal mit den Worten, in Deutschland könne nur noch derjenige Asyl beantragen, der mit dem Fallschirm abspringe. Maaßen zitiert diese Kritik. Und es scheint so, als ob dabei auch ein wenig Stolz mitschwinge.
Er spricht sich dafür aus, die deutschen Grenzen besser zu schützen und Asylbewerber zurückzuweisen. Das geschehe derzeit nicht. Nur so hätten die anderen EU-Länder eine ausreichende Motivation, die Außengrenzen der Gemeinschaft tatsächlich zu schützen. Dafür erhält er viel Beifall. Verhaltener fällt der Applaus aus, als er sich dafür ausspricht, die Bootsflüchtlinge im Mittelmeer zu retten. Als er fordert, sie müssten aber nach Afrika zurückgebracht werden, wird der Applaus wieder lauter.
Allein um die Flüchtlingspolitik geht es dem gebürtigen Rheinländer aber nicht. Er warnt vor einem wirtschaftlichen Abstieg Deutschlands und der Abhängigkeit von China. Die Klimabewegung „Fridays for Future“kritisiert er als ideologisch. Den Kindern und Jugendlichen werde „wie bei einer Gehirnwäsche eine Ideologie eingeimpft“. Und er schimpft über Medien, Journalisten und deren aus seiner Sicht „rot-grüne Meinungsmache“.
Für enttäuschte Unionsanhänger jedenfalls ist er ein Hoffnungsträger. Am Ende spendet der Saal ihm stehenden Applaus. Maaßen appelliert, nicht zur AfD überzulaufen, sondern die Union zu erneuern. Wie gespalten die Unionsparteien intern aber sind, zeigt sein Auftritt in Augsburg. Veranstalter ist der gerade mal rund 20 Mitglieder starke Ortsverband aus dem kleinen Stadtteil Inningen. Der Bezirksverband hat sich distanziert. Der Vorsitzende Volker Ullrich sagte: „Die Augsburger CSU hat Maaßen nicht eingeladen und sie hätte ihn auch nicht eingeladen.“Der Inninger Ortsverband wird parteiintern dem rechten Spektrum der CSU zugeordnet.
Maaßens Auftritt in Augsburg wird durch Spenden finanziert. Genannt werden die Spender an diesem Abend aber nicht. Gerhard Schmid, der stellvertretende Ortsvorsitzende sagt, er wolle nicht, dass die Spender dadurch womöglich Nachteile erleiden. Schließlich müsse man damit rechnen, dass die Bezirks-CSU Spitzel geschickt habe. Für Hans-Georg Maaßen dürfte das nichts Neues sein. In der Welt der Geheimdienste ist der Spitzel-Einsatz ja üblich.