Mittelschwaebische Nachrichten
Weit über 500 Menschen wollen Emin helfen
Soziales Bei der Typisierungsaktion am Samstag in der Günzburger Jahnhalle ist der krebskranke Zehnjährige mit dabei und einen kleinen Beitrag leistet er auch. Es kommen so viele Menschen, dass die geplante Zeit überschritten wird
Günzburg/Krumbach „Wir besiegen Blutkrebs“, steht auf dem weißen Auto der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS), das am Samstag vor der Günzburger Jahnhalle neben dem Kombi der Malteser parkt. Ebenfalls davor spricht Sylvia-Maria Braunwarth, einen Packen Flyer in der Hand, Passanten an und weist auf die Typisierungsaktion hin, die gerade in der Halle stattfindet. Jeder, der gesund und zwischen 17 und 55 Jahre alt ist, kann sich als Stammzellspender bei der DKMS registrieren lassen. Vielleicht ist tatsächlich ein sogenannter „genetischer Zwilling“dabei, der dem zehnjährigen Emin aus Krumbach helfen kann.
Emin hat Lymphdrüsenkrebs (wir berichteten), die Diagnose erhielt er bereits im Juli 2018. Die bisherigen Behandlungen brachten nicht den gewünschten Erfolg, eine Stammzellspende ist seine einzige Überlebenschance. Möglicherweise auch für jemand anderen, sollte sich an diesem Samstag für diesen ebenfalls ein geeigneter Spender finden.
„Es läuft“, sagt Sylvia-Maria Braunwarth zufrieden. Später werde sie zum Bauernmarkt gehen, vielleicht auch zum Marktplatz, um dort ebenfalls auf die Aktion aufmerksam zu machen. Viel Überredungskunst braucht die Koordinatorin des Malteser Kinder- und Jugendhospizdienstes ohnehin nicht. Dass Emin krank ist, berührt. Zahlreiche Menschen, die im Vorfeld über die Typisierungsaktion Bescheid wussten, laufen ganz zielgerichtet in die Halle. „Das hat mich bewegt“, sagt Harald Heinrich aus Burgau, der sich soeben hat registrieren lassen. In dem Alter sei das besonders schlimm und das habe ihn nachdenklich gemacht. Man müsse froh sein, wenn es einem gut gehe. „Man weiß nie, ob man nicht einmal selbst betroffen ist“, bemerkt Anne Remmele. Sie sei bereits registriert, aber noch nicht ihr Mann. Deswegen seien sie beide extra von Edenhausen nach Günzburg gefahren.
Vorne am Eingang weist Kinderund Jugendhospizbegleiter Helmut Seiler einen Platz an den 18 Tischen zu. Es sei richtig was los, knapp 40 ehrenamtliche Helfer seien da, sagt er. Alexander Pereira, Diözesangeschäftsführer der Malteser, bestätigt: Seit halb Zehn sei man hier. Der Andrang sei so groß gewesen, dass man nicht, wie geplant, um 11 Uhr, sondern bereits eine halbe Stunde vorher begonnen habe. Inzwischen sind die Plätze um drei zusätzliche aufgestockt worden, kurze Zeit später um zwei weitere. Wenn man selber ein Kind habe, dann habe man einen ganz anderen Bezug dazu, dann sei das umso schlimmer, Ulrike Liebrecht. Günter Schmidek hat zwar keine Kinder, für ihn sei das Registrieren aber genauso eine Selbstverständlichkeit, wie er hinzufügt. Die Einverständniserklärung haben sie ausgefüllt. Das ganze ist eine Sache von gerade einmal fünf Minuten: Mund auf, eines der drei Wattestäbchen, die sogenannten „Swabs“, eine Minute lang links, das zweite eine Minute lang rechts und das dritte ringsum durch den Mund ziehen. Anschließend werden sie kurz getrocknet und landen in einem Tütchen, welches mit einem Barcode versehen ist. Das war’s. Die „Swabs“haben dabei ausreichend Material aufgenommen, um den möglichen Spender später im Labor zu typisieren. Die Auswertung dauert etwa drei bis vier Wochen.
An den beiden Tischen vorne, an denen die Tütchen abgegeben wererklärt den, steht jeweils eine Spendenbox. Darin befinden sich nicht nur ein paar Münzen, sondern zahlreiche Scheine. Sogar 50-Euro-Scheine sind darunter. Manche derer, die gekommen sind, spenden gleichzeitig einen gewissen Betrag, mit dem man ebenfalls etwas für die gute Sache beitragen kann. Immerhin kostet jede einzelne Typisierung 35 Euro. Sogar die Aktion „Radio 7 Drachenkinder“, bei der im Mittelpunkt kranke, behinderte oder traumatisierte Kinder und Jugendliche aus dem Sendegebiet stehen, beteiligt sich mit einem Spenden-Scheck in Höhe von 10000 Euro.
Inzwischen ist Emin mit Mama Michaela und Papa Necdet eingetroffen. Emin sitzt im Rollstuhl und trägt wegen seines anfälligen Immunsystems einen Mundschutz. Im Moment fühlt er sich relativ fit. Seine Freude ist ihm anzusehen, als ihn Sylvia-Maria Braunwarth durch die Jahnhalle schiebt. Die Anwesenden freuen sich ebenfalls, ihn zu sehen, es wird sogar geklatscht.
„Es ist toll, dass die Menschen solchen Anteil nehmen“, betonen Mama Michaela und Papa Necdet. Es gehe ja auch um andere Kinder, die betroffen seien. Sie erzählen,
„Man weiß nie, ob man nicht einmal selbst betroffen ist.“
Anne Remmele
„Der Emin ist ein toller Kerl, in jeder Hinsicht.“
Sylvia-Maria Braunwarth
dass auch Eltern gekommen seien, die ein ähnliches Schicksal begleite, und die eine ganze Reihe an Bekannten mitgebracht hätten, die sich jetzt registrieren ließen. „Ich finde das richtig schön und cool“, freut sich Emin, bevor er mit seinem Rollstuhl zur Spendenbox fährt und selbst einige Scheine hineinsteckt. Das sei das Geld, das er sich selbst verdient habe, indem er seiner Mama geholfen habe und er wolle selber auch etwas dazu beitragen.
Eigentlich hätte die Typisierungsaktion um 15 Uhr geendet. Man habe eine halbe Stunde drangehängt, damit nicht jemand umsonst gekommen wäre, erklärt Duygu Keles, DKMS-Veranstaltungskoordinatorin im süddeutschen Raum. Insgesamt haben sich 561 Menschen registrieren lassen. „Es war eine schöne Aktion, man hat viele Leute mobilisiert. Das wäre ohne die ehrenamtlichen Helfer nicht möglich gewesen.“„Emin ist ein toller Kerl, in jeder Hinsicht“, sagt Braunwarth. Und vielleicht hat sich an diesem Samstag tatsächlich ein „genetischer Zwilling“gefunden.