Mittelschwaebische Nachrichten

Im Schatten der Ikone

Amira Mohamed Ali wurde zur neuen Co-Vorsitzend­en der Linksfrakt­ion gewählt. Als Nachfolger­in von Sahra Wagenknech­t hat sie einen schweren Stand

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Sie taten sich schwer, die Abgeordnet­en der Linksfrakt­ion im Bundestag. Zwei Wahlgänge waren nötig, um einen leeren Platz an der Fraktionss­pitze zu füllen. Am Ende setzte sich die niedersäch­sische Abgeordnet­e Amira Mohamed Ali durch und wurde neben Dietmar Bartsch zur Co-Vorsitzend­en der Linken im Bundestag gewählt.

Wer den Namen der neuen Fraktionsc­hefin bislang noch nie gehört hat, muss sich nicht verstecken, denn Ali ist bislang politisch nur wenig in Erscheinun­g getreten. Sie wird es schwer haben, die Fußstapfen ihrer Vorgängeri­n auszufülle­n: Sahra Wagenknech­t, die zuvor wegen eines Burnouts auf eine dritte Kandidatur verzichtet hatte.

Alis Wahl ist offenbar vor allem ein Ergebnis innerparte­ilicher Kämpfe. Folgt man den Stimmen in der Fraktion, gingen ihr erhebliche

Machtspiel­chen zwischen den Vordenkern der Linksfrakt­ion voraus. Bartsch etwa soll Ali auch wohl aus dem Kalkül heraus protegiert haben, eine im Vergleich zu Wagenknech­t schwächere Co-Vorsitzend­e an seiner Seite zu haben. Für diese Annahme spricht, dass die Fraktion deutlich erfahrener­e Abgeordnet­e in ihren Reihen hat als Ali. Die im niedersäch­sischen Oldenburg lebende Juristin, die zehn Jahre als Anwältin für einen Autozulief­erer gearbeitet hat, sitzt erst seit 2017 im Bundestag. Dort machte die Tochter eines Ägypters und einer Deutschen bislang wenig von sich reden.

Dass Ali, die im Januar 1980 in Hamburg geboren wurde, nicht unumstritt­en ist in ihrer Fraktion, zeigt das Wahlergebn­is. Die Sprecherin für Verbrauche­rschutz sowie für Tierschutz hatte in der stellvertr­etenden Fraktionsv­orsitzende­n Caren Lay eine Gegenkandi­datin, die ihr einigen Widerstand entgegense­tzte. Im ersten Wahlgang reichte es für keine der beiden zum Sieg. Im zweiten Durchgang votierte eine knappe Mehrheit von 36 Abgeordnet­en für Ali. Zum Nachteil gereichte Lay womöglich ihre Freundscha­ft mit Co-Parteichef­in Katja Kipping. Die zählt zu den Gegnerinne­n von Wagenknech­t – deshalb könnten einige Fans der Linken-Ikone Ali gewählt haben, um das Kipping-Lager nicht zu stark werden zu lassen.

Politisch findet sich kaum etwas, was für Alis Aufstieg in der Fraktion spricht. Sie ist gegen Fracking und Tierquäler­ei, sie ist für ein Comeback der Flächenbin­dung in der Landwirtsc­haft und ein friedliche­s Europa. Das alles sind ziemlich beliebige Ziele ohne Alleinstel­lungsmerkm­al. Was die Sache für Ali nicht leichter macht: Wagenknech­t hat bereits erklärt, weiterhin „politisch etwas bewegen zu wollen“. Nicht wenige in Fraktion und Partei leiten daraus den Schluss ab, Wagenknech­t werde wieder auf der großen Bühne mitspielen, sobald sie sich von ihrer körperlich­en Erschöpfun­g erholt hat. Ali muss sich also als neue Co-Fraktionsv­orsitzende beweisen und es dabei irgendwie schaffen, Wagenknech­ts Schatten abzuschütt­eln. Stefan Lange

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Foto: dpa

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