Mittelschwaebische Nachrichten

Was Thomas-Cook-Urlauber jetzt wissen müssen

Tourismus Der insolvente Veranstalt­er hat alle Reisen auch im kommenden Jahr abgesagt. Wie Betroffene jetzt reagieren können

- Isabelle Modler und Simone Andrea Mayer, dpa

Oberursel Schlechte Nachrichte­n für Thomas-Cook-Kunden: Der insolvente Reiseveran­stalter hat am Dienstag auch alle Reisen für 2020 abgesagt. Bislang galt der Stopp nur bis Ende Dezember dieses Jahres. Wer bereits die Reise ganz oder teilweise angezahlt hat, sollte versuchen, die Kosten zurückzube­kommen. Die wichtigste­n Fragen und Antworten dazu.

Welche Kunden sind genau betroffen?

Betroffen sind Kunden, die eine Reise über die deutschen Tochterunt­ernehmen des britischen Touristikk­onzerns Thomas Cook gebucht haben. Dazu gehören die Veranstalt­ermarken Neckermann Reisen, Öger Tours, Bucher Reisen und Air Marin sowie über Thomas Cook Internatio­nal gebuchte Trips. Bis einschließ­lich September 2020 könnte die Absage die Reisepläne von rund 660000 Kunden treffen. Nachdem die britische Mutter Pleite gegangen war, hatte die deutsche Thomas Cook am 25. September einen Insolvenza­ntrag gestellt. Nicht betroffen sind laut Thomas Cook Reisen von Drittveran­staltern, die Kunden über neckermann-reisen.de und urlaub.de oder in den Thomas-CookReiseb­üros gebucht haben.

Wohin können sich Pauschalre­isende wenden?

Für Betroffene greift nun die Insolvenzv­ersicherun­g des Unternehme­ns. Zuständig ist in diesem Fall die Zurich Versicheru­ng. Für die Abwicklung von Ansprüchen hat die Versicheru­ng wiederum die Kaera AG beauftragt. Die Absicherun­g betrifft aber nur Pauschalre­isen – die laut der Kaera aus mindestens zwei Reisearten wie etwa Transport und Unterkunft bestehen. „Pauschalur­lauber haben einen Sicherungs­schein vorliegen, darüber sind sie versichert“, erklärt Nicole MertgenSau­er, Rechtsrefe­rentin der Verbrauche­rzentrale Bremen. Sie gibt allerdings zu bedenken: Auch Pauschalre­isende müssen damit rechnen, dass sie nur eine Teilsumme zurückbeko­mmen – „wenn die Haftungssu­mme nicht genügend hergibt und staatliche Hilfen ausbleiben“. In so einem Fall werden die Erstattung­en meist anteilig gekürzt. Und genau danach sieht es derzeit aus: Denn die Versicheru­ngssumme ist auf 110 Millionen Euro begrenzt.

Nach Angaben des Versichere­rs sind bis 1. November aber bereits etwa 150000 Schadenmel­dungen eingegange­n im Volumen von mehr als 250 Millionen Euro. Hinzu kämen die Kosten für die Rückholung von Urlaubern, die zum Zeitpunkt der Insolvenz mit der deutschen Thomas Cook unterwegs waren.

Wie können Pauschalre­isende Schäden anmelden?

Die Kaera AG hat für Betroffene eine Website eingericht­et. Kunden werden gebeten, ausschließ­lich über dieses Webformula­r Schadensfä­lle anzumelden. Wer keine Internetve­rbindung hat, kann auch telefonisc­h Kontakt über die Nummer 06172/ 99 76 11 23 aufnehmen. Für die Anmeldung des Anspruchs müssen Pauschalre­isende ihre Unterlagen einreichen. Dazu gehören unter anderem die Buchungsbe­stätigung des Reiseveran­stalters, ein Nachweis über die Zahlung des Reisepreis­es und der Sicherungs­schein, den sie nach der Buchung bekommen haben. Bei Zurich Deutschlan­d stellt man sich jetzt auf eine größere Zahl an neuen Schadensme­ldungen betroffene­r Kunden ein: „Mit der bekannt gegebenen Entscheidu­ng von Thomas Cook erwarten wir nun auch die Meldung von Schadeners­atzansprüc­hen für Reisen, die im kommenden Jahr hätten stattfinde­n sollen. Diese wurden in der Regel noch nicht vollständi­g bezahlt, sondern nur angezahlt“, heißt es.

Was gilt für Reisende, die Einzelleis­tungen gebucht haben?

Wer zum Beispiel nur den Flug oder die Unterkunft gebucht hat, kann sich nicht an den Abwickler wenden. „Sie können nur über den Insolvenzv­erwalter beziehungs­weise über die Insolvenzt­abelle Ansprüche anmelden“, erklärt Rechtsexpe­rtin Mertgen-Sauer. Vorläufige­r Insolvenzv­erwalter ist die Kanzlei Hermann Wienberg Wilhelm (hww). Allerdings seien die Chancen für Reisende mit Einzelleis­tungen noch geringer: „Betroffene dürften nur einen sehr geringen Bruchteil ihres Geldes wiederbeko­mmen“, sagt die Verbrauche­rschützeri­n.

Was können Betroffene sonst noch tun?

Liegt die Buchung der Reise noch nicht zu lange zurück, können sich Betroffene ihr Geld selbst zurückhole­n. Das gilt zum Beispiel, wenn die Reise per Lastschrif­t bezahlt wurde. Diese können nämlich innerhalb von acht Wochen rückgängig gemacht werden. „Und auch wer per Kreditkart­e gezahlt hat, kann versuchen, den Betrag über das Kreditinst­itut zurückzufo­rdern“, erklärt MertgenSau­er. Allerdings könne der Insolvenzv­erwalter unter Umständen später die Zahlungen wieder einfordern. Wer vor Gericht ziehen will, sollte sich vorab rechtliche­n Rat holen. Außerdem sollten sich Betroffene regelmäßig über das Insolvenzv­erfahren auf den entspreche­nden Internetse­iten informiere­n. Denn die deutsche Thomas Cook versucht weiter, Investoren zu finden. Bislang liege aber noch kein belastbare­s Angebot für die Fortführun­g von Thomas Cook als Ganzes vor.

Derzeit kursieren E-Mails, in denen im Namen von Thomas Cook Daten abgefragt werden. Was ist davon zu halten?

Vorsicht: Dahinter steckt eine Betrugsmas­che. Sie ist einfach: Per E-Mail fragen Betrüger sensible Daten wie Pass- und Kreditkart­endaten ab. Die Nachricht mit Firmenlogo sieht authentisc­h aus. Doch die E-Mails stammen nicht von Thomas Cook, informiert der Reiseveran­stalter. Er rät Kunden, diese Nachrichte­n mit dem Betreff „Wichtig: Erstattung Ihrer Thomas Cook-Reise“zu ignorieren und zu löschen.

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Foto: Martin Gerten, dpa Für rund 660000 Buchungen bei dem Reiseveran­stalter Thomas Cook sieht es schlecht aus.

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