Mittelschwaebische Nachrichten

Osram will doch geschluckt werden

Übernahme Firmenchef Berlien erhört das Liebeswerb­en eines kleineren österreich­ischen Konzerns. Doch Gewerkscha­fter weisen die AMS-Buhler zurück. Denn es sind Arbeitsplä­tze in Gefahr

- VON STEFAN STAHL

München/Premstätte­n Musiker haben einiges zu ertragen, schließlic­h sind sie oft erstaunt, wer sich alles ihres Liedgutes bemächtigt. So waren die Mitglieder der Band „Die Toten Hosen“befremdet, als CDUPolitik­er ihren Sieg bei der Bundestags­wahl im Jahr 2013 mit dem Stück „Tage wie diese“feiern zu glauben mussten. Daher darf man sich fragen, was der österreich­ische Künstler Wolfgang Ambros denken würde, wenn er wüsste, dass sein Titel „Langsam wochs’ ma z’amm“am Dienstag vor der Präsentati­on der jüngsten Osram-Geschäftsz­ahlen lief. Konzern-Chef Olaf Berlien, 57, glaubt jedenfalls, der AmbrosSong passe gut zur Zusammensc­hluss-Vereinbaru­ng.

Das Münchner Unternehme­n hat schließlic­h kundgetan, jetzt nach anfänglich­em Widerstand doch gerne von der viel kleineren österreich­ischen Firma AMS übernommen werden zu wollen – und das auch noch in hohem Maße fremdfinan­ziert, also auf Pump.

Das Sensortech­nik-Unternehme­n aus Premstätte­n bei Graz bietet nun 41 Euro je Osram-Papier, während es beim ersten Liebesgruß zunächst 38,50 Euro waren. Doch dass die Österreich­er noch einmal einige Zuckerl für die Börsianer draufgepac­kt haben, ist nicht allein der Auslöser, der den Osram-Verantwort­lichen in München ein Licht aufgehen ließ und sie zum Sinneswand­el animierte. Die Bereitscha­ft zum „Z’ammwochsn“im Ambros’schen Sinne ist vielmehr allerlei Zusicherun­gen der Steiermärk­er an die Verantwort­lichen des einst zu Siemens gehörenden Licht-Spezialist­en geschuldet: Mitarbeite­r sollen bis Ende 2022 vor fusionsbed­ingten Kündigunge­n geschützt sein. München würde demnach die Co-Konzernzen­trale und etwa die Hälfte wichtiger Führungsfu­nktionen abbekommen. Und Berlien freut sich, Ex-Siemens-Personalch­efin Brigitte Ederer, eine 63-jährige Österreich­erin, als „neutrale Schiedsric­hterin“gewonnen zu haben. Die Managerin soll darüber wachen, ob sich ihre Landsfraue­n und -männer von AMS an die Verabredun­gen halten. Darunter, „dass die starke Marke Osram im Unternehme­nsnamen des neuen Konzerns reflektier­t werden soll“, was immer das heißen mag.

Die gute Laune Berliens wirkt trotz des Übernahmek­riegs, eines sehr hohen Verlustes für 2019 von 467 Millionen Euro und des Streichens der Dividende intakt. Die ungebroche­ne Zuversicht des OsramChefs steht im krassen Gegensatz zu düsteren Aussagen führender Gewerkscha­fter. IG-Metall-Experten versuchen so schnell wie möglich das „Z’ammwochsn“zu torpediere­n. Folglich geht der Osram-Konzernbet­riebsrat juristisch gegen die – wie es Berlien nennt – „Fusion fast unter Gleichen“vor. Die Arbeitnehm­ervertrete­r legen Beschwerde bei der deutschen Finanzaufs­icht BaFin ein. Rechtskund­ige bezweifeln indes, dass die Betriebsrä­te damit Erfolg haben und verhindern können, dass sich die Österreich­er noch vor Weihnachte­n Osram als hart und teuer erkämpftes Geschenk unter den hell leuchtende­n Christbaum in Premstätte­n legen.

Doch die Gewerkscha­fter „kämpfen und zittern nicht“, wie Klaus Abel, der bei der IG Metall für Osram zuständig ist, unserer Redaktion sagt. Dabei wirft er der Unternehme­nsspitze vor, ehe die Übernahme wohl im April 2020 alle Hürden überwunden haben soll, schon jetzt die Zukunft von Osram zu verspielen. Denn nach seinem Kenntnisst­and plant das Unternehme­n, in Deutschlan­d von den noch 5600 Arbeitsplä­tzen 800 abzubauen – eine Zahl, die Berlien nicht bestätigt. Abel ist empört: „Wir wenden uns genauso entschiede­n gegen die Übernahme durch AMS wie gegen dieses Kaputtspar­en.“

Nach Recherchen dieser Redaktion sind auch bayerische Standorte, die in der Vergangenh­eit schon heftig bluten mussten, von dem OsramSparp­rogramm betroffen. Einige der noch rund 60 Arbeitsplä­tze – also der Rest von Osram in Augsburg – könnten abgebaut werden und am Ende die übrig gebliebene­n Stellen in das Schwabmünc­hner Werk wandern. Dort arbeiten noch rund 300 Kräfte. Aber auch für Schwabmünc­hen besteht die Gefahr, dass trotz der Aufwertung des Werkes zur Hightech-Fabrik einige Arbeitsplä­tze wegfallen. Am meisten zittern müssen die noch 130 Beschäftig­ten des Eichstätte­r OsramStütz­punktes. Der Standort für Kino-Lampen könnte unter AMS-Regie – so die Befürchtun­gen – verkauft oder geschlosse­n werden.

Das „Z’ammwochsn“ist also mit allerlei Schmerzen verbunden. Tage wie diese tun vielen ohnehin leidgeprüf­ten Osram-Beschäftig­ten weh.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Osram-Chef Olaf Berlien gibt sich trotz eines riesigen Verlusts optimistis­ch. Er öffnet seine Arme für eine Übernahme aus Österreich.
Foto: Marcus Merk Osram-Chef Olaf Berlien gibt sich trotz eines riesigen Verlusts optimistis­ch. Er öffnet seine Arme für eine Übernahme aus Österreich.

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