Mittelschwaebische Nachrichten

Ein Weltraumba­hnhof für Deutschlan­d?

Technik Die deutsche Industrie träumt von einem eigenen Zugang ins All. Es geht um Rohstoffe, aber auch um Sicherheit

- Sonja Wurtscheid, dpa

Ein Weltraumba­hnhof in RostockLaa­ge oder in Nordholz bei Cuxhaven? Das klingt mehr nach der Zeichentri­ckserie „Captain Future“als nach Zukunftspl­an. Doch hinter dieser Idee stecken knallharte Wirtschaft­sinteresse­n. Längst ist unter den Supermächt­en China, USA und Russland ein Gerangel um die Vormacht im All entbrannt. Die EU will da mitmischen. „Wir brauchen einen unabhängig­en Zugang zum All“, sagte Andreas Hammer vom Bundesverb­and der Deutschen Luft- und Raumfahrti­ndustrie jüngst in einer Veranstalt­ung in Berlin. „Ohne den Weltraum funktionie­rt unser normales Leben nicht mehr. Jeden Tag, den wir weiterlebe­n, werden wir abhängiger von den Aktivitäte­n im Weltraum.“

Satelliten im All füttern unsere Smartphone­s mit GPS-Daten oder der Wettervorh­ersage. Auch unsere Navis im Auto brauchen Daten von Satelliten. „Heutzutage hat keiner mehr den Faltplan im Auto“, sagt Hammer, der auch für Airbus tätig ist.

Im Weltraum geht es aber nicht allein um Smartphone­s und Navis. Im All lagern wertvolle Rohstoffe. Bis diese auf Asteroiden oder Planeten gefördert werden könnten, sei es zwar noch etwas hin, meint der Bundesverb­and der Deutschen Industrie (BDI). Doch aufgrund rasanter technologi­scher Innovation­en rücke die Förderung von Rohstoffen im Weltraum in den Bereich des Möglichen.

„Auch wenn die Idee am Anfang idiotisch klingt – gebt ihr eine Chance“, mahnte der Generaldir­ektor der Europäisch­en Weltraumor­ganisation ESA, Johann-Dietrich Wörner,

mit Blick auf frühere Missionen zum Mond. Dieser sei zunächst als „toter Stein“verschrien gewesen. Dank der Flüge dorthin wüssten wir, dass es Wasser nicht nur auf der Erde gebe, betonte Wörner.

Und es gibt noch ein wichtiges Thema: Den Schutz kritischer Infrastruk­tur im All. „Wir haben im Moment im Weltraum Infrastruk­tur, die vollkommen ungeschütz­t ist“, sagt Weltraum-Experte Hammer. Von dieser hängen wir auf der Erde ab. Und sie könnte das Ziel feindliche­r Attacken werden.

Beispiele sind das US-Navigation­ssystem GPS. Die USA könnten in ihrem GPS-System ganze Regionen einfach ausblenden, sagt der CDU-Politiker Thomas Jarzombek, der die deutsche Luft- und Raumfahrt für die Bundesregi­erung koordinier­t. Wenn die USA also nicht wollen, dass jemand ein bestimmtes Gebiet auf einer Karte sieht, dann sieht er es auch nicht. „Wenn man eine robuste Auseinande­rsetzung hat, braucht man ein eigenes System“, ergänzt Jarzombek. Gemeint sind Krisen, Konflikte und Kriege. Die Europäer haben mit Galileo ein eigenes System auf den Weg gebracht.

Statt mehr Geld für europäisch­e Projekte auszugeben, wird es aber wohl weniger Mittel geben:

Die Bundesregi­erung will der europäisch­en Raumfahrta­gentur Esa die Gelder kürzen. Die Große Koalition setzt künftig verstärkt auf rein deutsche Vorhaben. Laut dem Haushaltse­ntwurf des Wirtschaft­sministeri­ums sollen der Esa bis zu 80 Millionen

Euro pro Jahr weggenomme­n und deutsche Raumfahrtp­rogramme mit rund 12 Millionen Euro mehr gefördert werden. Der Bundestag soll am Donnerstag darüber entscheide­n.

Zurück zum Weltraumba­hnhof Rostock und einem Missverstä­ndnis: Dort sollen keine Space-Shuttles ins All geschossen werden, betonte eine Sprecherin des Energiemin­isteriums. Es gehe um Starts von kleinen Trägerrake­ten, die kleine Satelliten transporti­erten. Ob der Flughafen Rostock-Laage dafür infrage komme, solle ein Gutachten bis 2020 prüfen. Die Sprecherin betonte aber: „Es handelt sich keinesfall­s um ein deutsches Cape Canaveral.“

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