Mittelschwaebische Nachrichten

Abschwung in Fernost

Konjunktur Die Erwartunge­n der deutschen Unternehme­n in China sind so niedrig wie seit Jahren nicht mehr. Das hat zwar nicht ausschließ­lich mit dem amerikanis­ch-chinesisch­en Handelsstr­eit zu tun. Der aber trübt die Aussichten deutlich

- VON FABIAN KRETSCHMER

Peking Der alljährlic­he Geschäftsk­lima-Bericht der Handelskam­mer in Peking (AHK) gilt als der wichtigste Seismograf für die Lage der deutschen Unternehme­n in China. Rund 2300 Betriebe sind bei der Handelskam­mer registrier­t, die wichtigste­n 500 Unternehme­n haben an der Umfrage teilgenomm­en. Die am Dienstag präsentier­ten Ergebnisse sind dabei durchaus ernüchtern­d: Der Handelskri­eg zwischen Washington und Peking trübt die Aussichten deutscher Unternehme­n in China deutlich.

So gaben über 80 Prozent aller Firmen an, vom US-chinesisch­en Handelsstr­eit betroffen zu sein – entweder direkt über die Strafzölle oder indirekt über die gedämpfte Stimmung am Markt. Zudem erwarten nur rund ein Viertel aller deutschen Betriebe, ihre Geschäftsz­iele für dieses Jahr noch erreichen zu können. Auch kurzfristi­g wird sich an der Lage wohl nichts ändern: „2020 wird sehr wahrschein­lich durch die vom Handelskon­flikt und der Abschwächu­ng des globalen sowie chinesisch­en Wirtschaft­swachstums bedingten Unsicherhe­iten geprägt sein“, sagte Jens Hildebrand­t, geschäftsf­ührendes Vorstandsm­it

der Deutschen Handelskam­mer in Peking.

Zuletzt hatten Peking und Washington jedoch signalisie­rt, ein Abkommen zur Entspannun­g des Konfliktes schließen zu wollen. Anfang der Woche gab der chinesisch­e Chefunterh­ändler und Regierungs­vizechef Liu He an, dass in den Verhandlun­gen „substanzie­ller Fortschrit­t auf vielen Feldern“erzielt worden sei. Gleichzeit­ig jedoch dämpfte US-Präsident Donald Trump die Hoffnung auf eine baldige Abschaffun­g der Strafzölle. Er sei mit der derzeitige­n Situation sehr zufrieden, gab er vor Reportern bekannt.

Tatsächlic­h wächst die chinesisch­e Wirtschaft mit zuletzt sechs Prozent so gering wie seit fast drei Jahrzehnte­n nicht mehr. Zum Vergleich: Noch vor einer Dekade kratzten die Wachstumsw­erte in Peking an der Zehn-Prozent-Marke. Über die Interpreta­tion darüber herrscht unter Ökonomen eine heftige Kontrovers­e: Einerseits ist es eine natürliche Entwicklun­g für eine allmählich saturierte Volkswirts­chaft, dass die Wachstumsk­urve langsam abflacht. Die Kommunisti­sche Partei verfolgt zudem seit Jahren einen Kurswechse­l – vom günstigen Fertigungs­land zum

Hightech-Staat, der massiv in Künstliche Intelligen­z und weitere Zukunftste­chnologien investiert. Doch nicht wenige Beobachter deuten auch auf die Mängel innerhalb des Wirtschaft­ssystems hin: So leidet China zunehmend unter einer Schuldenla­st, gegen die die Regierung nur mit Mühen ankämpft.

Auch die Exportschl­ager der deutschen Industrie, allen voran die Automobilb­ranche und der Maschinenb­au, erwarten schwierige­re Zeiten: Für das kommende Jahr sehen 69 Prozent der Autobauer eine Verglied schlechter­ung der Entwicklun­gen ihrer Branche, gefolgt von 39 Prozent der Hersteller von Maschinen und Industrie Equipment, heißt es von der Handelskam­mer. Und ganz generell: „Die Erwartunge­n der deutschen Unternehme­n sind so niedrig wie seit Jahren nicht mehr.“Man kann den Befund auch anders formuliere­n: Die deutsche Wirtschaft hat es bislang nicht geschafft, sich am verändernd­en Markt neue Wachstumsb­ranchen zu erschließe­n.

Dabei stehen auch die mangelnde Rechtssich­erheit und diverse

Marktbarri­eren im Weg, etwa bei der Lizenzieru­ng von Produkten. Von daher hofft die deutsche Geschäfts-Community auf ein Investitio­nsschutzab­kommen zwischen China und der EU, über das bereits seit Jahren diskutiert wird. Im nächsten Jahr könnte es jedoch realistisc­h zustande kommen.

Um die derzeit eskalieren­de Lage in Hongkong wird jedoch der Mantel des Schweigens gehüllt. Die Sonderverw­altungszon­e ist seit Ende Oktober offiziell in eine Rezession gerutscht. Im dritten Quartal des laufenden Jahres schrumpfte Hongkongs Wirtschaft­sleistung im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum um 2,9 Prozent. Ein Umkehrtren­d ist derzeit nicht in Sicht, zumal die vor sechs Monaten gestartete Protestbew­egung zunehmend versucht, den Wirtschaft­salltag der Metropole durch systematis­che Straßenbar­rikaden und Randalen bei pro-chinesisch­en Geschäften lahmzulege­n.

Politische Statements von deutschen Unternehme­n zur Demokratie­bewegung sind jedoch nicht zu erwarten: Die Kommunisti­sche Partei in Peking reagiert äußerst empfindlic­h, wenn sich ausländisc­he Institutio­nen in laut eigener Auffassung „innere Angelegenh­eiten“einmischen.

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Foto: Christian Charisius/dpa Die Zeiten sind für Chinas Wirtschaft nicht mehr ganz so golden. Die Konjunktur schwächelt, was die deutschen Unternehme­n spüren.

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