Mittelschwaebische Nachrichten
Erinnerung an Michael Jürgs
Kurz vor dem Tod ein Blick ins Jenseits
So restlos verwegen dieses Buch ist, so eigentümlich trostreich ist es. Der bei Tempo und Stern richtungsweisende Journalist und als Sachbuchautor erfolgreiche Michael Jürgs hat daran geschrieben, bis kurz vor seinem Krebstod im Juli dieses Jahres. Er war 74 Jahre alt und wagte in „Post mortem“tatsächlich, was im Untertitel steht: „Was ich nach meinem Tod erlebte und wen ich im Jenseits traf.“Ja, Jürgs beschreibt das Leben danach, zu dem er von bereits gestorbenen Familienmitgliedern begrüßt wird, gesund und schwebend, im Alter ihres jeweiligen Todes. So kann er den Bruder endlich fragen, wieso der sich mit 20 umgebracht hat. Aber auch Willy Brandt ist da und spricht, beklatscht von Kohl und Adenauer, gegen die AfD. Jürgs kann Picasso, Gutenberg, Mozart besuchen, geht auf ein Konzert, bei dem Jimi Hendrix und Buddy Holly, Elvis Presley und Kurt Cobain, Whitney Houston und Amy Winehouse auftreten, geht zu einer Sitzung des „Clubs der toten Dichter“– mit Novalis und Dostojewski, Kafka und Salinger, Jane Austen und Rosamunde Pilcher. Denn nach dem Tod keine Trennung zwischen U und E. Das alles traut sich der Jürgs. Und auch Hitler und Mao im Jenseits zu sichten, verdammt zum unentwegten, aber stummen Schreien. Es geht gar nicht darum, ob das stimmen kann. Den Trost spendet, wie sich darin die ungeheure Reichhaltigkeit des Lebens spiegelt, das hier das Leben von Michael Jürgs ist. Aber eine solche Geschichte könnten wir uns alle trauen.
C. Bertelsmann, 272 S., 22 ¤