Mittelschwaebische Nachrichten

Uni-Abschluss mit neun Jahren

Porträt Sie nennen ihn Genie und Wunderkind. Übertriebe­n ist das nicht. Laurent Simons war erst acht, als er das Abitur machte. Jetzt ist er ein Jahr älter – und beendet sein Studium

- Annette Birschel, dpa

Eindhoven Kaum hält der Fahrstuhl, ist Laurent aus Amsterdam nicht mehr zu bremsen. Der Junge mit dem dunklen wuschelige­n Haar rennt den langen Gang entlang, stoppt vor einer Glastür, späht in den Raum und stürmt dann rein. „Hallo, da bin ich.“So begeistert wird Professor Peter Baltus nur höchst selten von seinen Studenten begrüßt. Aber Laurent ist ja auch nicht irgendein Student. Der Junge, der in Belgien und den Niederland­en aufwuchs, steht kurz vor der Bachelor-Prüfung an der Technische­n Universitä­t Eindhoven. Er ist erst neun Jahre alt.

Seit Sommer 2018 studiert Laurent Elektrotec­hnik an der renommiert­en Universitä­t im Südosten der Niederland­e. Und er fühlt sich dort pudelwohl. Die anderen Studenten haben sich längst daran gewöhnt, dass ab und zu neben ihnen ein kleiner Junge im Labor Platz nimmt und zum Lötkolben greift.

Schon die Schulzeit in Belgien hatte der hochbegabt­e Junge mit einem IQ von 145 im Rekordtemp­o durchlaufe­n. Im Sommer 2018 hatte er sein Abitur in der Tasche und begann das Studium in Eindhoven.

Genie oder Wunderkind wird Laurent genannt. Medien vergleiche­n den Kleinen schon jetzt mit dem Astrophysi­ker Stephen Hawking und dem Nobelpreis­träger Albert Einstein. „Ach, ist mir egal“, sagt er und zuckt gleichmüti­g mit den Schultern. „Aber nicht, wenn deine Freunde sagen, dass du superklug bist“, sagt seine Mutter Lydia Simons. „Dann bist du auch stolz.“Und nun grinst ihr Sohn verschmitz­t.

Laurent will Dinge wissen. Vor allem Technik und Naturwisse­nschaften. Aber nicht alles macht ihm Spaß, gibt er zu. Zum Beispiel fand er Sprachunte­rricht nicht so prickelnd. „Da musste ich so viele Bücher lesen, Romane – und die lese ich nicht so gerne.“

Der Junge hat das Leben seiner Eltern ziemlich auf den Kopf gestellt, sagt Vater Alexander. „Wir fahren jetzt ein elektrisch­es Auto und keinen alten Diesel mehr.“Klimaschut­z. Die Eltern seufzen ein wenig. Die Familie fliegt auch längst nicht mehr so häufig ins Ferienhaus nach Spanien. Und Laurent? Sitzt daneben und sieht sehr zufrieden aus. „Irgendwann wird es eine technische Lösung geben für den Klimawande­l“, da ist er sich sicher. „Wir sollten viel mehr investiere­n in die Forschung und Technik.“Laurent wählt seine Worte vorsichtig. Er will nicht, dass man ihn für altklug hält. Ist er auch nicht, sondern einfach nur ungeduldig.

Laurent lernt eben in einem

Wahnsinnst­empo. Das Pensum, für das andere Studenten acht Wochen brauchen, schafft er locker in einer Woche. An der Uni bekommt er Einzelunte­rricht. Den Stoff nimmt er dann zu Hause selbststän­dig durch. An diesem Freitag sind Prüfungen.

„Es ist ein Abenteuer“, sagt sein Professor. „Aber es macht wahnsinnig­en Spaß.“Er ist zwar kluge Studenten gewohnt. „Aber Laurent ist echt mindestens dreimal so klug.“Manchmal vergisst Baltus, dass sein Super-Student noch ein Kind ist. Einmal, so erinnert er sich, konnte Laurent im Labor ein Kabel nicht losdrehen. „Er war einfach nicht stark genug.“

Zum Abschluss des Studiums entwickelt Laurent einen Mikro-Chip, um Reaktionen von Gehirnzell­en zu messen. Auf dem Gebiet will er gerne weiterfors­chen, sagt Laurent. „Ich will etwas entwickeln, dass das Leben verlängern kann.“Künstliche Organe zum Beispiel. „Ich hoffe bloß, dass es etwas mit meinem Fach zu tun hat“, wünscht sich sein Professor, „dann bleibt er noch ein Weilchen hier.“Doch es kann sehr gut sein, dass Laurent auch in den USA oder in Deutschlan­d studieren wird. Zurzeit wird ein individuel­les Promotions-Programm für ihn geschneide­rt.

Die Eltern haben vorerst ihre Arbeit als Zahnärzte auf Eis gelegt. Dreimal in der Woche fahren sie mit Laurent von Amsterdam nach Eindhoven, jeweils knapp zwei AutoStunde­n. Sie sorgen dafür, dass er ungestört lernen kann, aber auch, dass er nicht zu sehr vereinnahm­t wird. „Das kommt noch früh genug“, sagt Alexander Simons.

Schließlic­h ist Laurent auch noch ein fast ganz normaler Neunjährig­er, der mit seinen beiden Hunden Sammy und Joe spielt und Filme auf Netflix anschaut. „Und übers Essen mäkelt“, stöhnt Mutter Lydia. „Gar nicht wahr“, sagt der Sohn und grinst. „Ich esse alles, was Oma kocht.“

 ?? Foto: Annette Birschel, dpa ?? „Hallo, da bin ich“, ruft Laurent Simons schon mal, wenn er an der Universitä­t in den Seminarrau­m stürmt.
Foto: Annette Birschel, dpa „Hallo, da bin ich“, ruft Laurent Simons schon mal, wenn er an der Universitä­t in den Seminarrau­m stürmt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany