Mittelschwaebische Nachrichten
Warum eine junge Frau Maurerin wird
Handwerk Die Baubranche ist eine von Männern dominierte Berufswelt. Vanesa Ciechomska aus Lauingen möchte das ändern. Für ihre Ausbildung hat sie sich für das Günzburger Unternehmen Bendl entschieden
Günzburg Die alte Rollenverteilung, also die Trennung zwischen Mann und Frau, ist häufig immer noch bei den Berufen zu erkennen. Frauen sind etwa mehrheitlich in den sozialen Berufen unterwegs, Männer hingegen beispielsweise im Handwerk. Besonders in der Baubranche sind fast nur Männer zugegen. Das Günzburger Bauunternehmen Bendl ist ein Beispiel dafür, wie es anders gehen kann. Vanesa Ciechomska ist die erste auszubildende Maurerin in der Firma.
Wie kommt es dazu, dass eine junge Frau Maurerin werden möchte? Die 20-jährige Lauingerin erzählt, sie habe nach ihrem Qualifizierenden Abschluss mit einer Lehre im Einzelhandel angefangen – ein klassischer Bürojob. „Das war nichts für mich, ich möchte viel lieber draußen arbeiten.“Als sie ihre erste Ausbildung abbrach, überlegte sich Ciechomska, in welchen Bereich sie wechseln möchte – die Entscheidung fiel auf das Maurerdasein. „Meine Mutter ist Maschinenanlagenführerin, das Handwerkliche habe ich von ihr.“
Bendl war für die 20-Jährige eigentlich nur die zweite Wahl – aber nur, da sie auf die Firma erst später über das Internet aufmerksam wurde. „Hier lerne ich viel mehr, als in meiner ersten Firma.“Dort habe sie auf der Baustelle nur mit nicht deutsch sprechenden Kollegen zu tun gehabt. Bei Bendl sei das anders, erzählt Ciechomska. „Ich wurde vom ersten Tag an gut aufgenommen.“
Zwar hat die Lauingerin auf den Baustellen fast nur mit Männern zu tun, das mache ihr aber nichts aus. „In der Berufsschule sind sonst auch nur Jungs.“Es kam bisher nie ein dummer Spruch von ihren Kollegen. Im Gegenteil: Alle finden es toll, dass die 20-Jährige den Mut aufbringt, sich in der von Männern dominierten Welt des Bauens zu behaupten. „Wir sind stolz auf Vanesa“, sagt auch Peter Finkel, Ausbildungsleiter bei Bendl. Mit ihm ist die Auszubildende derzeit fast jeden Tag auf einer Baustelle in Neu-Ulm.
In der Donaustadt baut das Günzburger Unternehmen 38 Wohneinheiten. Und mittendrin arbeitet Ciechomska: Ziegel anlegen, Schalungen herstellen oder Laibungen verputzen. Das meiste geht der 20-Jährigen leicht von der Hand, erzählt sie. Auch der Ausbildungsleiter zeigt sich mit seiner Auszubildenden überaus zufrieden.
„Für uns ist es eine Bestätigung, dass der Beruf des Maurers nicht mehr der harte Knochenjob ist, wie es früher der Fall war“, sagt Finkel. Kein Bauteil, das mit der Hand bewegt wird, ist schwerer als 25 Kilo. Für höhere Gewichte gibt es maschinelle Unterstützung, um den Rücken zu schonen. Man muss also kein Muskelpaket mehr sein, um Maurer zu werden. Trotzdem hat Bendl bei der Stellenausschreibung nicht damit gerechnet, dass sich eine Frau bewirbt. „Wir sind halt immer noch eine Männerdomäne“, sagt Finkel.
Vanesa Ciechomska möchte am liebsten gar nicht zu lange über ihr Alleinstellungsmerkmal in der Branche sprechen, für sie spielt das Geschlecht nämlich keine Rolle. Generell hält sie von der Frau-MannTrennung nichts. Das kann man auch bei ihren Freizeitaktivitäten erkennen. „Nach Feierabend spiele ich am liebsten Fußball.“Und wer weiß, vielleicht bekommt Ciechomska bald auf der Baustelle eine neue Kollegin? Ausbildungsleiter Finkel hätte nichts dagegen: Wer gleich am ersten Tag so anpacke wie Vanesa, sei jederzeit willkommen.
Für die 20-Jährige lautet das Ziel: Die angefangene Ausbildung erfolgreich beenden. Danach will sie den Meisterbrief machen, um dann später eventuell Bauingenieurswesen zu studieren. Vanesa Ciechomska ist nicht nur eine starke Frau mit Visionen, sie kann auch dazu beitragen, den Fachkräftemangel zu minimieren.