Mittelschwaebische Nachrichten
Der neue Olaf Scholz
Sozialdemokraten Der Finanzminister präsentierte sich schlagfertig in der Debatte der beiden letzten verbliebenen Kandidatenpaare. Nachdem bislang Kuscheln angesagt war, wird nun ernsthaft um die Führung in der SPD gestritten
Berlin Wenn es sowieso schon schlecht läuft, dann aber auch gleich richtig. Eine Fehlermeldung und der Hinweis „Wartungsarbeiten – Wir sind bald wieder für Sie da“blinkten jenen entgegen, die das erste Duell der beiden verbliebenen SPD-Spitzkandidatenduos im Internet verfolgen wollten. Die Sozialdemokraten, in der Partei gerade führungslos und von schlechten Umfragewerten gebeutelt, mussten sich deswegen einigen Spott gefallen lassen. Im Anschluss an die rund 75-minütige Veranstaltung verhallte der Hohn allerdings sehr schnell.
Rein inhaltlich geriet das SPDCasting zwar nicht zum Aufreger. Die Themen waren bereits aus den zurückliegenden 23 Regionalkonferenzen sattsam bekannt: Klima und Umwelt, Arbeit und Soziales, Digitalisierung wurden aufgerufen, es wurden Defizite beklagt und es wurde das Versprechen abgegeben, es in Zukunft besser zu machen. Neu war dabei nichts.
Eine Premiere war allerdings, dass Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans auf der einen und Klara Geywitz und Olaf Scholz auf der anderen Seite die Ellenbogen ausfuhren und sich tatsächlich ein echtes Duell lieferten. Bislang hatten sich die Bewerber um die Nachfolge von Andrea Nahles bei diesen Terminen sehr zurückgehalten. Sie gingen freundlich miteinander um, verbreiteten damit aber auch eine gehörige Portion Langeweile. Vor allem wusste anschließend kaum jemand, wofür die Kandidaten politisch im Detail stehen.
Der Tag der endgültigen Entscheidung über die Parteispitze ist allerdings nicht mehr fern. Die Abstimmung über die beiden Kandidatenpaare läuft vom 19. bis zum 29. November, am 30. November wird das Ergebnis veröffentlicht. Die Duellanten, die im ersten Wahlgang nur anderthalb Prozentpunkte auseinanderlagen, dürften also den erspürt haben, jetzt zu liefern, um sich abzusetzen.
Deutlich wurde das Bemühen um Alleinstellungsmerkmale, als der ehemalige NRW-Landesfinanzminister Walter-Borjans die gerade erst von der schwarz-roten Regierung beschlossene Grundrente kritisierte. Die SPD habe zwar für 1,5 Millionen Menschen eine Grundsicherung geschaffen, sie habe sich aber gleichzeitig durch die Union daran hindern lassen, dass weitere zwei Millionen Menschen ebenfalls in ihren Genuss kommen. Er spielte damit auf den Kompromiss bei der Bedürftigkeitsprüfung an, den SPD und Union eingegangen sind.
Bundesfinanzminister Scholz reagierte auf diese Kritik verärgert. Im Ton beherrscht, gleichwohl aber sichtlich aufgewühlt, wies er seinen Herausforderer in die Schranken. Die Grundrente sei eine Errungenschaft der Politik, bekräftigte Scholz. Das ewige Miesmachen soziDruck aldemokratischer Errungenschaften gehe ihm mächtig auf die Nerven, machte Scholz deutlich und appellierte: „Ich sage einfach mal: Freuen ist auch in Ordnung.“
Walter-Borjans und Esken hatten sich vorgenommen, alles an der Großen Koalition schlechtzureden. Offen wird es zwar nicht ausgesprochen, aber beide stehen im Lager derjenigen, die für die Beendigung der GroKo sind. An Scholz und Geywitz – sie wollen den Fortbestand der GroKo bis zum Ende der Legislaturperiode – bissen sie sich an diesem Abend allerdings die Zähne aus. Vor allem Scholz konterte ein ums andere Mal Behauptungen mit Fakten, der Minister kam immer besser in Fahrt und Beobachter fühlten sich angesichts seiner direkten, kühlen Entgegnungen phasenweise gar an die Rhetorik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erinnert.
Am Tag nach dem Schlagabtausch hielten sich prominente SPD-Politiker mit einer Bewertung des Duells spürbar zurück. Zu fragil ist die Lage in der SPD gerade. Zu unsicher ist, wer sich am Ende durchsetzt und wie es dann mit der Regierung weitergeht. Von der Seitenlinie aus betrachtet und unter Einbeziehung der Reaktionen in den einschlägigen Netzwerken hatten Geywitz und Scholz die Nase leicht vorn. Gewonnen hatten aber vor allem die rund 430000 SPD-Mitglieder, die angesichts der lebhaften Debatte nun etwas klarer sehen dürften in der Frage, wer in Zukunft die Partei führen soll.