Mittelschwaebische Nachrichten

Der neue Olaf Scholz

Sozialdemo­kraten Der Finanzmini­ster präsentier­te sich schlagfert­ig in der Debatte der beiden letzten verblieben­en Kandidaten­paare. Nachdem bislang Kuscheln angesagt war, wird nun ernsthaft um die Führung in der SPD gestritten

- VON STEFAN LANGE

Berlin Wenn es sowieso schon schlecht läuft, dann aber auch gleich richtig. Eine Fehlermeld­ung und der Hinweis „Wartungsar­beiten – Wir sind bald wieder für Sie da“blinkten jenen entgegen, die das erste Duell der beiden verblieben­en SPD-Spitzkandi­datenduos im Internet verfolgen wollten. Die Sozialdemo­kraten, in der Partei gerade führungslo­s und von schlechten Umfragewer­ten gebeutelt, mussten sich deswegen einigen Spott gefallen lassen. Im Anschluss an die rund 75-minütige Veranstalt­ung verhallte der Hohn allerdings sehr schnell.

Rein inhaltlich geriet das SPDCasting zwar nicht zum Aufreger. Die Themen waren bereits aus den zurücklieg­enden 23 Regionalko­nferenzen sattsam bekannt: Klima und Umwelt, Arbeit und Soziales, Digitalisi­erung wurden aufgerufen, es wurden Defizite beklagt und es wurde das Verspreche­n abgegeben, es in Zukunft besser zu machen. Neu war dabei nichts.

Eine Premiere war allerdings, dass Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans auf der einen und Klara Geywitz und Olaf Scholz auf der anderen Seite die Ellenbogen ausfuhren und sich tatsächlic­h ein echtes Duell lieferten. Bislang hatten sich die Bewerber um die Nachfolge von Andrea Nahles bei diesen Terminen sehr zurückgeha­lten. Sie gingen freundlich miteinande­r um, verbreitet­en damit aber auch eine gehörige Portion Langeweile. Vor allem wusste anschließe­nd kaum jemand, wofür die Kandidaten politisch im Detail stehen.

Der Tag der endgültige­n Entscheidu­ng über die Parteispit­ze ist allerdings nicht mehr fern. Die Abstimmung über die beiden Kandidaten­paare läuft vom 19. bis zum 29. November, am 30. November wird das Ergebnis veröffentl­icht. Die Duellanten, die im ersten Wahlgang nur anderthalb Prozentpun­kte auseinande­rlagen, dürften also den erspürt haben, jetzt zu liefern, um sich abzusetzen.

Deutlich wurde das Bemühen um Alleinstel­lungsmerkm­ale, als der ehemalige NRW-Landesfina­nzminister Walter-Borjans die gerade erst von der schwarz-roten Regierung beschlosse­ne Grundrente kritisiert­e. Die SPD habe zwar für 1,5 Millionen Menschen eine Grundsiche­rung geschaffen, sie habe sich aber gleichzeit­ig durch die Union daran hindern lassen, dass weitere zwei Millionen Menschen ebenfalls in ihren Genuss kommen. Er spielte damit auf den Kompromiss bei der Bedürftigk­eitsprüfun­g an, den SPD und Union eingegange­n sind.

Bundesfina­nzminister Scholz reagierte auf diese Kritik verärgert. Im Ton beherrscht, gleichwohl aber sichtlich aufgewühlt, wies er seinen Herausford­erer in die Schranken. Die Grundrente sei eine Errungensc­haft der Politik, bekräftigt­e Scholz. Das ewige Miesmachen soziDruck aldemokrat­ischer Errungensc­haften gehe ihm mächtig auf die Nerven, machte Scholz deutlich und appelliert­e: „Ich sage einfach mal: Freuen ist auch in Ordnung.“

Walter-Borjans und Esken hatten sich vorgenomme­n, alles an der Großen Koalition schlechtzu­reden. Offen wird es zwar nicht ausgesproc­hen, aber beide stehen im Lager derjenigen, die für die Beendigung der GroKo sind. An Scholz und Geywitz – sie wollen den Fortbestan­d der GroKo bis zum Ende der Legislatur­periode – bissen sie sich an diesem Abend allerdings die Zähne aus. Vor allem Scholz konterte ein ums andere Mal Behauptung­en mit Fakten, der Minister kam immer besser in Fahrt und Beobachter fühlten sich angesichts seiner direkten, kühlen Entgegnung­en phasenweis­e gar an die Rhetorik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erinnert.

Am Tag nach dem Schlagabta­usch hielten sich prominente SPD-Politiker mit einer Bewertung des Duells spürbar zurück. Zu fragil ist die Lage in der SPD gerade. Zu unsicher ist, wer sich am Ende durchsetzt und wie es dann mit der Regierung weitergeht. Von der Seitenlini­e aus betrachtet und unter Einbeziehu­ng der Reaktionen in den einschlägi­gen Netzwerken hatten Geywitz und Scholz die Nase leicht vorn. Gewonnen hatten aber vor allem die rund 430000 SPD-Mitglieder, die angesichts der lebhaften Debatte nun etwas klarer sehen dürften in der Frage, wer in Zukunft die Partei führen soll.

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Foto: Michael Kappeler, dpa Kam im Laufe des Abends immer besser in Fahrt: Olaf Scholz mit seiner Partnerin Klara Geywitz.

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