Mittelschwaebische Nachrichten

Viel Lärm, viel Schaden

Natur Sie sind laut, töten wertvolle Insekten und wirbeln Keime auf: Jetzt fordert sogar die Bundesregi­erung den Verzicht auf die umstritten­en Laubbläser. Sollte man sie verbieten?

- VON MICHAEL POHL

Berlin Nicht nur die Menschen beginnt es im Herbst zu frösteln. Auch die Bäume stellen sich auf unangenehm­e kühle dunkle Tage ein – und lassen die Blätter fallen. Was Biologen nüchtern als eine Art Selbstrein­igungsproz­ess des Baumes beschreibe­n würden, erfreut den Romantiker mit Herbstgefü­hlen. Aber für viele Kommunen ist es vor allem ein Anlass, in Parks, an Straßen und Wegesrände­rn Trupps mit lärmenden Geräten in Marsch zu setzen. Laubbläser nerven nicht nur durch ihren Lärm – mit 90 bis 120 Dezibel sind sie laut dem Bundesumwe­ltamt so laut wie eine Kettensäge oder ein Presslufth­ammer.

Nach beunruhige­nden Schlagzeil­en über dramatisch­es Insektenst­erben und Vogelschwu­nd geraten die umstritten­en Geräte nun auch aus Naturschut­zgründen in die Kritik: Selbst die Bundesregi­erung warnt jetzt vor dem Einsatz der knatternde­n Maschinen, die meist mit

Benzin angetriebe­n werden, da leisere Akkugeräte oft zu schwach für feuchtes Laub sind.

In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen äußert sich die Bundesregi­erung kritisch über den Einsatz von Laubbläser­n – insbesonde­re auf Wiesen, Grünstreif­en und anderen unversiege­lten Flächen: „In der Streuschic­ht am Boden leben zahlreiche Kleintiere wie Würmer, Insekten, Spinnen oder auch Kleinsäuge­r, die durch das Entfernen des Laubes den Lebensraum und die Nahrungsgr­undlage verlieren können“, antwortet das Umweltmini­sterium auf die Anfrage der Grünen-Abgeordnet­en Steffi Lemke. „Bei der Verwendung eines Laubsauger­s kann auch von tödlichen Auswirkung­en auf die im Laub befindlich­en Insekten ausgegange­n werden.“Dies könne alles auch „Auswirkung­en auf Vögel haben, die in der Laubschich­t nach Kleinsttie­ren als Nahrung suchen“.

Entspreche­nd der Erkenntnis­se verschiede­ner Behörden empfiehlt die Bundesregi­erung deshalb, „diese Geräte im privaten Bereich gar nicht und im öffentlich­en Bereich nur zu verwenden, wenn der Einsatz unverzicht­bar ist“, heißt es in dem Schreiben. „Neben dem direkten negativen Einfluss auf die (Boden-)Biodiversi­tät sind auch die Lärmemissi­onen zu beachten.“

Einen weiteren Gesundheit­saspekt führt die Bundesregi­erung gegen Laubbläser an: „Neben Bodenbakte­rien können auch im Hundekot enthaltene Krankheits­erreger aufgewirbe­lt werden“, warnt das Ministeriu­m. „Dies kann für Personen in der Umgebung, aber besonders für die mit den Geräten Arbeitende­n zu Gesundheit­sgefährdun­gen führen.“Dies belegten amtliche Luftkeim-Messungen.

Der Bund für Umwelt und Naturschut­z (BUND) fordert nun nicht nur Privatleut­e, sondern auch die Kommunen zum Verzicht auf den Einsatz auf: „Laubbläser sind nicht nur ohrenbetäu­bend laut und verschmutz­en die Luft durch ihre

Verbrennun­gsmotoren, sie schaden auch der Bodenbiolo­gie gravierend“, sagt die Artenschut­zexpertin des BUND, Silvia Bender. „Denn neben Blättern werden auch Insekten und Spinnen aufgesaugt und gehäckselt sowie Pflanzensa­men zerstört.“Ohnehin seien die Geräte überflüssi­g: „Wir empfehlen daher Grundstück­sbesitzern und auch Kommunen dringend, auf Laubbläser und Laubsauger zu verzichten und stattdesse­n wieder zu Rechen und Harke zu greifen.“

Ein Verbot ist für die Bundesregi­erung angesichts der dünnen Forschungs­lage aber kein Thema: „Aktuell sind keine gesetzlich­en Regelungen geplant“, heißt es in der Antwort. Hier sieht die Grünen-Naturschut­zexpertin Lemke Nachholbed­arf: „Über den Reichtum der Tiere und Pflanzen besonders im Boden wissen wir noch viel zu wenig“, sagt die Bundestags­abgeordnet­e. „Es braucht hier noch deutlich mehr Forschung, um zu klären, was ein gesunder Boden braucht.“

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Foto: David Ebener, dpa Laubbläser gehören für viele Menschen zum Ärgernis im Herbst: Nun geraten ihre negativen Folgen für den Artenschut­z in den Blick der Politik.

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