Mittelschwaebische Nachrichten

Zugunglück: Sohn eines Opfers kämpft weiter

Verkehr Daniel Scheerers Mutter starb bei dem Unfall in Aichach. Seither fordert er Verbesseru­ngen bei der Deutschen Bahn. Jetzt will er den Bundestag einschalte­n

- VON CARMEN JUNG

Aichach Der seelische Schmerz war bei Daniel Scheerer noch ganz akut. Fünf Tage nach dem Aichacher Zugunglück am 7. Mai 2018 fand eine Trauerfeie­r für die Opfer statt. Danach hörte der Sohn der 73-Jährigen, die bei dem Aufprall eines Personenzu­ges auf einen Güterzug ums Leben gekommen war, ein Interview mit einem Bahnsprech­er. Er schwor sich damals, „nicht mehr zu ruhen, bis alle Stellwerke und Bahnübergä­nge auf dem technisch neuesten Sicherheit­sstand sind“.

Mit einer Aussage des Bahnsprech­ers will sich der 52-Jährige bis heute nicht zufriedeng­eben. Dieser hatte betont, wie sich Scheerer erinnert, dass die Anlage in Aichach „für den sicheren Bahnbetrie­b“zugelassen sei. Scheerer schloss daraus, dass die Bahn „keine anderen Konsequenz­en für erforderli­ch hält“als die strafrecht­liche Verfolgung des

Fahrdienst­leiters. Wie berichtet, erhielt dieser eine Bewährungs­strafe von zehn Monaten wegen fahrlässig­er Tötung, fahrlässig­er Körperverl­etzung und Gefährdung des Bahnverkeh­rs. Der 24-Jährige hatte die Einfahrt des Personenzu­ges in den Aichacher Bahnhof auf Gleis zwei freigegebe­n, obwohl dort bereits ein Güterzug stand. Bei dem Aufprall starb Scheerers Mutter ebenso wie der 37-jährige Zugführer. 13 Menschen wurden verletzt.

Scheerer ist der Ansicht: Die einzige Konsequenz habe der bedauernsw­erte Fahrdienst­leiter tragen müssen „wegen eines kleinen menschlich­en Fehlers, dessen tödliche Konsequenz technische Sicherheit­smaßnahmen hätten verhindern müssen“. Er forderte von Anfang an Konsequenz­en von der Deutschen Bahn. Die kündigte im Juli 2018 an, 600 alte mechanisch­e Stellwerke mit elektronis­chen Warnanlage­n nachzurüst­en. Dafür wird derzeit laut einem Sprecher die europaweit­e Ausschreib­ung vorbereite­t. Die Umrüstung wertete Scheerer als positives Zeichen. Doch sie reicht ihm nicht.

Der 52-Jährige hat nun eine Online-Petition gestartet. Darin fordert er, die Eisenbahn-Bau- und Betriebsor­dnung von 1967 „nach dem Stand der Technik neu zu fassen“. Denn diese erlaube bis heute mechanisch­e Stellwerke aus der Nachkriegs­zeit. Folgenschw­ere Unfälle auf eingleisig­en Strecken häuften sich deshalb. Unter anderem setzt sich Scheerer in der Petition auch für gemeinnütz­ige Organisati­onsformen bei der Bahn ein. Er argumentie­rt: Diese müsse als Aktiengese­llschaft betriebswi­rtschaftli­chen Grundsätze­n folgen.

Ein Bahnsprech­er weist die Forderung zurück. Er spricht von sinkenden Unfallzahl­en und betont, das Eisenbahn-Bundesamt habe sich als unabhängig­e Kontrollin­stanz absolut bewährt. Dagegen hätten zu Bundesbahn­zeiten sicherheit­srelevante Prüfungen noch unter einem Dach stattgefun­den. Im Übrigen entwickle die Bahn ihre Sicherheit­sstandards und Abläufe stetig fort.

Scheerer hofft derweil auf möglichst viele Unterzeich­ner seiner Petition, die ab Dezember läuft. Mit 55000 Unterschri­ften dürfte er vor dem Petitionsa­usschuss des Bundestags sprechen. „Sie wären eine Überraschu­ng, aber ich hoffe (noch)“, schreibt er auf Twitter.

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Archivfoto: Bammer Nach dem Unglück wurden Kränze am Bahnhof niedergele­gt.

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