Mittelschwaebische Nachrichten

Habeck: „Wir wollen die Weichen stellen“

Grünen-Chef will Verantwort­ung im Bund, warnt aber vor Selbstgere­chtigkeit

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Bielefeld Zum Auftakt des GrünenPart­eitags in Bielefeld hat Parteichef Robert Habeck das Ziel ausgegeben, die Zeit nach der Ära Merkel maßgeblich mitzubesti­mmen. „Wir wollen die Weichen mit stellen, wir werben um die Verantwort­ung dafür, die neue Zeit gestalten zu können“, sagte er am Freitag in einer frei gehaltenen, sehr emotionale­n Rede vor mehreren hundert Delegierte­n.

Dafür brauchten die Grünen „Pläne, die den Horizont wieder aufmachen“, die eine Politik beschreibe­n, die aus dem Klein-Klein herausführ­e. „Wo ist dieser Geist geblieben, die großen Dinge in Deutschlan­d zu denken?“, fragte Habeck. Man brauche wieder Mut, um „Politik der Ermöglichu­ng“voranzutre­iben. Die Grünen hätten in den letzten Jahren viel Hoffnung geweckt und Vorschuss-Vertrauen bekommen. „Jetzt in der nächsten Phase müssen wir aus Hoffnung Wirklichke­it machen.“

Habeck tritt an diesem Samstag gemeinsam mit Annalena Baerbock zur Wiederwahl der Grünen-Doppelspit­ze an. Gegenkandi­daten sind bisher nicht bekannt. In Umfragen stehen die Grünen derzeit etwa bei 20 Prozent und vor der SPD. Der Erfolg wird auch dem Führungsdu­o Habeck/Baerbock zugeschrie­ben, die beiden setzen auf Geschlosse­nheit und wollen die Grünen als „Bündnispar­tei“in der Mitte der Gesellscha­ft platzieren.

Habeck warnte aber auch die eigene Partei vor Selbstgere­chtigkeit. „Wir haben manchmal einen Hang, in einer akademisch gefärbten Sprache Argumente immun zu machen. Da müssen wir an uns arbeiten.“Beschäftig­te der Automobili­ndustrie, der Kohlebranc­he, in der konvention­ellen Landwirtsc­haft hätten ein Recht, ihre Argumente vorzubring­en, und die Grünen seien gut beraten, zuzuhören. „Wir müssen diese Toleranz auch bei uns selbst einüben.“

Habeck wird als möglicher Kanzlerkan­didat seiner Partei gehandelt. In der Parteispit­ze selbst gilt diese Frage aber immer noch als Tabu. Der 50-Jährige warb in seiner Rede ohne Manuskript und Rednerpult angesichts populistis­cher und extremisti­scher Tendenzen für eine leidenscha­ftliche Verteidigu­ng der Demokratie: „Wir leben in der besten und freiesten Republik, die es jemals in Deutschlan­d gab. Verteidige­n wir diese Republik. Werden wir Verfassung­sschützer.“

Habeck sprach sich indirekt auch für eine Beobachtun­g der gesamten AfD durch den Verfassung­sschutz aus.

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