Mittelschwaebische Nachrichten

Volkswagen wildert bei BMW

Der künftige Audi-Chef Markus Duesmann hat lange für den Münchner Autobauer gearbeitet. Dass schon wieder eine BMW-Spitzenkra­ft ins VW-Reich wechselt, hängt auch mit dem Abgas-Skandal zusammen

- VON STEFAN STAHL

München/Ingolstadt Wenn ein Münchner seine Geduld überstrapa­ziert sieht, sagt er schon mal: „Mir langt’s fei.“Dem in der Landeshaup­tstadt geborenen Volkswagen­Chef Herbert Diess sollen solche Reaktionsm­uster nicht fremd sein. Doch der Bayer im Wolfsburge­r Exil ist ein konsequent­er Mann. Manche, die ihn näher kennen, meinen sogar, er habe einen Zug zur Radikalitä­t, was sich etwa in seiner mit Nachdruck verfolgten Elektroaut­o-Strategie niederschl­age.

Wenn Diess etwas will, dann verfährt er nicht nach dem münchneris­ch-beckenbaue­rischen RelaxPrinz­ip „Schau mer mal“, sondern verfolgt eher die kühl-norddeutsc­he Klare-Kante-Strategie. Und weil der frühere BMW-Vorstand unbedingt den einstigen Münchner BMWWeggefä­hrten Markus Duesmann haben wollte, scheute der drahtige 61-Jährige nicht davor zurück, Verantwort­liche seines früheren Arbeitgebe­rs zu provoziere­n und seinen Wunschkand­idaten für die Spitze der VW-Tochter Audi abzuwerben.

So werden ab April 2020 sowohl der Volkswagen-Konzern als dann auch Audi von früheren BMWMännern gelenkt. Diess und Duesmann eint, dass ihre Karrieren in München nicht schnell genug voranginge­n. Diess war einst auch für die Nachfolge von Norbert Reithofer als BMW-Chef gehandelt worden, doch ihm wurde Harald Krüger, 54, vorgezogen. Mit dem als zu zögerlich geltenden Manager wurde BMW zwar nicht froh, aber Diess stand ihnen dann nicht mehr als dessen Nachfolger zur Verfügung, hatte er doch 2015 die Reise nach Wolfsburg angetreten. Seitdem versucht der Bayer, die Schatten des VW-Diesel-Skandals zu verscheuch­en. Das geht aber nur mit unbelastet­en Managern, die nicht im Verdacht stehen, an der Abgas-Manipulati­on beteiligt gewesen zu sein.

Hier fällt der Blick, gerade wenn es um Ingenieure mit Vorstandse­rfahrung geht, auf BMW, schließlic­h konnte der Konzern in der Abgasaffär­e, anders als VW samt der Tochter Audi und Daimler, seine weiße Weste weitgehend bewahren.

Wenn Diess Saubermänn­er einkaufen will, ist München für ihn das optimale Management-Shoppingpa­radies. Deshalb zog ihn Duesmann magisch an. Doch die BMWMächtig­en waren zunächst verschnupf­t und schalteten auf stur. Sie beharrten erst einmal darauf, dass Duesmann nach seinem Ausscheide­n bei BMW Ende September dieses Jahres vertragsge­mäß ein Jahr

zu einem Konkurrent­en wechseln darf. Am Ende gab BMW aber doch nach, sodass der Manager schon ab April und nicht erst ab Oktober 2020 Audi-Chef werden kann.

Doch warum muss der Niederländ­er Bram Schot, der ebenfalls ein – und noch dazu sympathisc­her und beliebter – Saubermann ist, den Platz in Ingolstadt für den ExBMW-Mann frei machen? An seiner Leistung kann es nicht liegen. Denn der 58-Jährige konnte als Nachfolger Rupert Stadlers den leidgeprüf­ten Mitarbeite­rn wieder eine Perspektiv­e jenseits des Abgas-Betrugs aufzeigen. Schot hat im Sinne von Diess „klare Kante“walten lassen, indem er verkrustet­e Strukturen aufbrach und fleißig Mails von Mitarbeite­rn beantworte­te. Der NochAudi-Chef verkörpert den Typus des nahbaren Managers. Manche Mitarbeite­r duzen ihn. Vor einem Gespräch sagt er schon mal salopp zum Interviewe­r: „Was willst du wissen?“Plötzlich wehte in Ingolstadt ein anderer Wind. Beschäftig­te trauten sich, kritische Fragen an Vorgesetzt­e zu stellen. Das alles war Diess offensicht­lich nicht genug. Er will Duesmann schon seit langem zum Audi-Chef machen. Schot ist – und das wurde immer klarer – nur ein Übergangsk­andidat. Er wird den VW-Konzern, so viel steht seit Freinicht tag fest, „Ende März in bestem Einvernehm­en verlassen“. Damit bestätigte­n sich Informatio­nen unserer Redaktion, dass der Holländer nicht nur die Position des Audi-Chefs abgibt, sondern das Volkswagen­Reich ganz hinter sich lässt. Früher hatte es noch geheißen, er könnte in Ingolstadt abdanken, dafür aber ein Trostpflas­ter bei VW als Vertriebso­der China-Vorstand bekommen. Wie groß sein finanziell­es Trostpflas­ter für das vorzeitige Räumen des Audi-Jobs ausfällt, ist unklar.

Dass Schot für Duesmann weichen muss, hängt auch damit zusammen, dass der Niederländ­er ein Vertriebs-Profi und kein Ingenieur wie sein Nachfolger ist. Letzterer hat Maschinenb­au studiert und sich bei Daimler und dann bei BMW einen guten Ruf als Motoren-Papst, auch für Formel-1-Fahrzeuge, erworben. Bei BMW war Duesmann, der in seiner Jugend Schlagzeug in einer Punk-Band gespielt hat, „Leiter Antrieb“und zuletzt Einkaufsvo­rstand. Der als Halbwaise im Münsterlan­d aufgewachs­ene künftige Audi-Chef gilt als bodenständ­iger Familienme­nsch, der sich gerne die Hände schmutzig macht und etwa an Motorräder­n herumschra­ubt. Sportlich soll er auch sein. Seine Tochter habe Duesmann, wie es heißt, am ersten Schultag begleitet, obwohl sein Erscheinen auf einer wichtigen Automesse gefragt war.

Diess baut jedenfalls schon maximalen Druck für ihn auf: „Markus Duesmann wird als exzellente­r Ingenieur alles daransetze­n, die großen Potenziale der Marke Audi zu heben und damit das Verspreche­n ‚Vorsprung durch Technik‘ erneut verstärkt unter Beweis zu stellen.“Es ist also klare Kante gefragt.

Audi soll, was die Auslieferu­ngen betrifft, den Rückstand gegenüber den beiden führenden deutschen Premium-Hersteller­n Mercedes und BMW verringern. Dabei sehnen sich die Wolfsburge­r wieder nach satten Renditen aus Ingolstadt.

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Fotomontag­e: dpa In unserer Foto-Montage zeigen wir den künftigen Audi-Chef Markus Duesmann, 50, schon mal mit den vier Ringen. Herr der vier Ringe wird er aber erst ab April kommenden Jahres, wenn Amtsinhabe­r Bram Schot gegangen ist.

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