Mittelschwaebische Nachrichten
Der Glanz von altem Gold
Staatskapelle Dresden analysiert ihren Klang
Dresden Was macht ein Orchester unverwechselbar? Natürlich der Klang. Doch in einer Welt des globalen Musikbetriebes wächst die Sorge, dass die zunehmend international besetzten Orchester immer ähnlicher klingen. Was aber lässt sich machen gegen den drohenden „Gleichklang“? Es ist vor allem die Rückbesinnung auf die eigenen Wurzeln, die DNA eines Orchesters. Bei der Staatskapelle Dresden ist sie 471 Jahre alt. Der 22. September 1548 gilt als Geburtsstunde der damaligen Hofkapelle. Die Hofkapellmeister von Heinrich Schütz über Carl-Maria von Weber bis hin zu Richard Wagner sind legendär. Wagner prägte für die Kapelle den Namen „Wunderharfe“. Später erwies sich das Zusammenspiel mit Richard Strauss als fruchtbar. Er brachte neun seiner fünfzehn Opern in Dresden heraus.
Mit derlei Referenzen ausgestattet wird die Staatskapelle geradezu von einem Mythos umweht. Grund genug, der Sache auf den Grund zu gehen. Die Dresdner Musikhochschule hat dafür eine Million Euro Forschungsgelder eingeworben. Fünf junge Wissenschaftler sind an dem Projekt beteiligt, darunter eine Doktorandin aus Italien und ein Forscher aus Polen. Schließlich gilt es auch außerhalb Dresdens, Archive unter die Lupe zu nehmen.
„Wir wollen Klangforschung in historischem Sinne betreiben“, sagt der Musikwissenschaftler Michael Heinemann. Alle Welt rede vom Klang der Staatskapelle Dresden, der Dirigent Herbert von Karajan habe ihn mit „Glanz von altem Gold“verglichen. „Viele behaupten, dass sich dieser Klang über die Jahrhunderte nicht verändert hat. Aber kann das überhaupt sein, wenn sich Spielweisen und auch die Instrumente ändern“, fragt der Professor.
Das Problem bestehe nicht zuletzt darin, dass es Tondokumente in Form von Schallplatten erst seit etwa 130 Jahren gibt. Der größere Teil der Orchester-Historie bleibe aber dennoch nicht „ungehört“. „Für den Zeitraum, für den wir keine Aufnahmen besitzen, haben wir Noten. Anmerkungen zu Tempo, Verzierungen oder Artikulationen lassen sich so weit lesen, dass man weiß, wie damals musiziert wurde. Das ist ein komplexes Verfahren“, sagt Heinemann. Die Staatskapelle sei immer auch eine Orchesterschule gewesen, die bewusst ein Ideal des Musizierens pflegte und weitergab. Über Generationen hinweg habe sich so ein Klangideal konservieren lassen: „In Dresden ist das ein sehr warmer Klang. Experten meinen, die Staatskapelle zelebriere bei Richard Strauss regelrecht einen kammermusikalischen Ton. Das hört man sonst nirgends.“