Mittelschwaebische Nachrichten

Machbarkei­tsstudie

- VON MICHAEL SCHREINER mls@augsburger-allgemeine.de

Manchmal verliert man Wörter aus den Augen. Und dann tauchen sie irgendwann zufällig wieder auf und man erkennt sie kaum wieder, weil sie sich bedeutend verändert haben. Die Machbarkei­tsstudie ist so ein Fall.

War sie nicht geknüpft an Utopien, an kühne technische Ideen, an fantastisc­he große Würfe, Erfindertr­äume? Siedlungen auf dem Mond, Tarnkappen, Unterwasse­rschlösser, Unsterblic­hkeit, Regenmache­n, Düsendreir­äder, Grundrente – solche Sachen. Doch inzwischen ist die Machbarkei­tsstudie aus Jules-Verne-Sphären herunterge­brochen auf Landratsam­tsebene.

Wenn heute eine Machbarkei­tsstudie in Auftrag gegeben wird, geht es nicht mehr um das Vortasten in den unendliche­n Raum von Science-Fiction, Fiebertrau­m und Vision. Sondern, bloß mal ein paar aktuelle Beispiele, um Pillepalle wie 22 barrierefr­eie Bushaltest­ellen in Eussenheim, eine Neuinterpr­etation des maroden Parkdecks am Friedhof von Prüm oder eine neue Schwimmhal­le für die Orte Kleinmanch­ow und Stahnsdorf. Die Machbarkei­tsstudie ist zu einer Art Gebrauchsa­nweisung verkommen, wie sie Ikea-Möbeln beiliegt. Du willst ein Loch graben, den Gartenzaun streichen? Machbarkei­tsstudie anfordern.

In der romantisch­en Vorstellun­g sind dutzende Männer und Frauen in weißen Kitteln jahrelang damit beschäftig­t, einen Weg zu finden, das Unmögliche wahr zu machen. Es könnte machbar sein! Schuhe, mit denen man 200 Meter weite Sätze machen kann. Zeit-Tunnel, durch die man in die Kindheit zurückreis­en kann. Smartphone­s, die intelligen­ter machen. Stattdesse­n: Büros, die Machbarkei­tsstudien für zusätzlich­e Bahnhalte erarbeiten oder für neue Aussegnung­shallen.

Spurenelem­ente von Utopie enthält dagegen die Idee einer Seilbahn in Ulm und Neu-Ulm. Deren Realisieru­ngschancen hängen nicht in der Luft – sondern ganz ordnungsge­mäß an einer in Auftrag gegebenen Machbarkei­tsstudie.

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