Mittelschwaebische Nachrichten
Machbarkeitsstudie
Manchmal verliert man Wörter aus den Augen. Und dann tauchen sie irgendwann zufällig wieder auf und man erkennt sie kaum wieder, weil sie sich bedeutend verändert haben. Die Machbarkeitsstudie ist so ein Fall.
War sie nicht geknüpft an Utopien, an kühne technische Ideen, an fantastische große Würfe, Erfinderträume? Siedlungen auf dem Mond, Tarnkappen, Unterwasserschlösser, Unsterblichkeit, Regenmachen, Düsendreiräder, Grundrente – solche Sachen. Doch inzwischen ist die Machbarkeitsstudie aus Jules-Verne-Sphären heruntergebrochen auf Landratsamtsebene.
Wenn heute eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben wird, geht es nicht mehr um das Vortasten in den unendlichen Raum von Science-Fiction, Fiebertraum und Vision. Sondern, bloß mal ein paar aktuelle Beispiele, um Pillepalle wie 22 barrierefreie Bushaltestellen in Eussenheim, eine Neuinterpretation des maroden Parkdecks am Friedhof von Prüm oder eine neue Schwimmhalle für die Orte Kleinmanchow und Stahnsdorf. Die Machbarkeitsstudie ist zu einer Art Gebrauchsanweisung verkommen, wie sie Ikea-Möbeln beiliegt. Du willst ein Loch graben, den Gartenzaun streichen? Machbarkeitsstudie anfordern.
In der romantischen Vorstellung sind dutzende Männer und Frauen in weißen Kitteln jahrelang damit beschäftigt, einen Weg zu finden, das Unmögliche wahr zu machen. Es könnte machbar sein! Schuhe, mit denen man 200 Meter weite Sätze machen kann. Zeit-Tunnel, durch die man in die Kindheit zurückreisen kann. Smartphones, die intelligenter machen. Stattdessen: Büros, die Machbarkeitsstudien für zusätzliche Bahnhalte erarbeiten oder für neue Aussegnungshallen.
Spurenelemente von Utopie enthält dagegen die Idee einer Seilbahn in Ulm und Neu-Ulm. Deren Realisierungschancen hängen nicht in der Luft – sondern ganz ordnungsgemäß an einer in Auftrag gegebenen Machbarkeitsstudie.