Mittelschwaebische Nachrichten
Die Frage der Woche Einen Nikolaus buchen?
Verrückt. Da überlässt man in der Kindererziehung nichts dem Zufall, liest sich durch Ratgeber, versucht das Kind zu motivieren, zu stärken, nicht zu frustrieren, auf keinen Fall in seiner kindlichen Entwicklung zu hemmen, Urvertrauen zu geben und so weiter und dann geht man dieses irre Risiko ein. Obwohl es so leicht zu vermeiden wäre. Bucht also keinen professionellen Nikolaus, verzichtet damit auf dringend einzuhaltende Mindeststandards, und lässt stattdessen mehr oder minder motivierte Brüder, Kollegen oder wen auch immer ran.
Nichts gegen die Laien. Aber wissen die, worauf sie sich einlassen? Das beginnt mit der Kleidung. Der professionelle gebuchte Nikolaus verfügt über eine Mitra, fein gebügelte Robe mit rotem Mantel, glänzender Bischofsstab. Der Aushilfsnikolaus improvisiert oft. Nicht schlimm an sich, aber die rote Zipfelmütze muss dennoch als Nachlässigkeit angesehen werden. Wie soll der Nikolaus da ernst genommen werden? Was der professionelle Nikolaus auch hat: Die nötige Gelassenheit und Erfahrung. Womöglich fallen die schriftlich eingereichten Instruktionen der Eltern zu harsch aus, verfasst in einer dunklen Stunde des Familienalltags. Dann wird der professionelle Nikolaus das ein wenig abmildern. Er hat ja Distanz! Er muss ja mit den Kindern nicht leben. Auch nicht mit den Eltern. Es soll jedenfalls gar nicht zu selten vorkommen, dass private Nikoläuse ihren Auftritt vor der Familie zur Generalabrechnung nutzen. Zum Beispiel gegenüber den erziehungsuntüchtigen Eltern, was die Kinder dann freut. Und danach soll man wieder froh zusammen Plätzchen essen? Nein! Ein Pro für den professionellen Nikolaus, ausreichend geschult für die Königsdisziplin der Erziehung: Gut dosierte, liebevolle Einschüchterung!
Man soll ja nicht nur eigene Einzelfallerfahrungen zur Grundlage eines umfassenden Urteils machen, aber: Die beiden erlebten Fälle des gebuchten Nikolauses waren ein Fiasko. Nicht etwa, weil der Darsteller schlecht, allzu durchschaubar oder unpassend gewesen wäre – sondern wegen dem, was die Eltern aus diesem Engagement gemacht haben. Das bezahlte Hinzuziehen einer professionellen äußeren Instanz hat hier die pädagogische Bedeutung des Nikolauses jedenfalls dramatisch anschwellen lassen. Was Onkel Klaus im Kostüm nie mit sich machen lassen würde, wurde hier der reinste Graus: Der Mann mit Bart zählte unerbittlich Verfehlungen und Mängel der Kinder auf, lobte auch in peinlicher Detailliertheit; er wurde zum genau instruierten, weil jeden Euro in erzielter Verhaltensbesserung beim Nachwuchs amortisierender Dienstleister effizienter schwarzer Pädagogik.
Oder so. Vom Einzelfall abgesehen ist der Hinweis mit Onkel Klaus entscheidend. Denn einzig sinnhaft ist es doch, wenn es jemanden in der (erweiterten) Familie gibt, der in solche Rollen gut und gern schlüpft. Der hat die wichtige Zuneigung zum Zielpublikum und die nötige Eigenständigkeit gegenüber dem Auftraggeber. Für später bleiben auch die enttarnten Erinnerungen, Einzelheiten gemeinsam schmunzelnd auf Fotos entdeckend, die Onkel Klaus eben doch hätten verraten können, wenn nicht Kinderaugen vor Aufregung blind gewesen wären. Und im Moment kann sich auch der ältere, durchblickende Nachwuchs so über den Nikolaus freuen… Alle Alternativen sind schlecht. Denn man muss sich das mal überlegen: Der selbstlos wohl- und wundertätige heilige Nikolaus als Angebot auf dem freien Markt der Dienstleistungsgesellschaft. Pervers eigentlich.