Mittelschwaebische Nachrichten
Gestrandet
Kennen Sie die Bahnhofsmission? In Augsburg sind das drei kleine Räume. Sehr eng. Direkt an Gleis 1 und doch versteckt. Viele Menschen gehen täglich vorbei, ohne sie wahrzunehmen. Aber vielleicht ist es ja gut, dass die Bahnhofsmission eher im Verborgenen bleibt. Gut für die Menschen dort.
Viele Gäste hat die Bahnhofsmission jeden Tag. Einigen sieht man an, woher sie kommen. Drogen, Alkohol, sicher auch Erfahrung mit Gefängnis. Manche sind laut. Das Leben schenkt ihnen nichts. Also zahlen sie es der Welt heim mit auffälliger Ruppigkeit. Sie klagen: über die Mitbewohner in der Unterkunft. Über den letzten Job. Über das Jobcenter. Andere schleichen leise herein, halten sich an einer warmen Tasse Tee fest. Sie wollen am liebsten nicht gehört und nicht gesehen werden.
Wieder andere erzählen offen und freimütig von ihrem Leben: von ihrer Frau, ihrem Mann, den Kindern. Dem Haus, dem Beruf und wie sie alles verloren haben. Aus eigener Schuld oder durch ein schlimmes
Ereignis. Anrührend ist das. Unwillkürlich denke ich: So schnell kann es gehen.
Diese Menschen sind draußen, vor den Toren unserer Gesellschaft gestrandet. Sie sammeln sich am Bahnhof. Bahnhöfe sind unterbewusste Orte der Hoffnung: Ein neuer Aufbruch. Eine neue Chance. Ein neues Leben. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Und Bahnhofsmissionen sind so etwas wie Inseln, an denen sie sich wie Strandgut antreiben lassen.
Wunderbar finde ich, dass es Menschen gibt, die an diese Orte gehen, um zu helfen. Freiwillig. Ehrenamtlich. „Ich will den Besuchern Mut machen“, sagt einer. Eine andere will einfach zuhören: „Es sind so viele spannende Geschichten. Wenn ich sie mir nicht anhöre, dann hört sie vielleicht keiner.“Und ein Dritter: „Manchmal können wir wirklich weiterhelfen: Mit einer Fahrkarte oder einem Antrag bei der Kirche oder der Kartei der Not. Diese Freude dann zu erleben, ist es allein schon wert, sich hier zu engagieren.“