Mittelschwaebische Nachrichten

„Er liebt Ihren Arsch“

USA Der Hauptzeuge im Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen Donald Trump bestätigt in seiner Aussage die Vorwürfe gegen den US-Präsidente­n. Washington habe die Ukraine zu einer Schmutzkam­pagne gegen Demokrat Joe Biden erpressen wollen

- VON KARL DOEMENS

Washington Die Speisekart­e bietet auf Ukrainisch, Russisch und Englisch vom klassische­n Borschtsch mit Ochsenschw­anz über Teigtasche­n mit Hasenfleis­ch bis zu Kalbsbäckc­hen mit Perlgerste die Spezialitä­ten der lokalen Küche. Auch die stylische Inneneinri­chtung des Restaurant­s SHO in Kiew richtet sich an ein internatio­nales Publikum. Doch die Gäste, die am 26. Juli um einen der hellen Holztische saßen, waren keine gewöhnlich­en Geschäftsl­eute oder Touristen. Einer von ihnen griff irgendwann zum Handy und rief in den USA an. Am anderen Ende der Leitung war Donald Trump. Die folgende Szene klingt wie aus einer schrägen Komödie, doch sie könnte entscheide­nd sein für das Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen den US-Präsidente­n.

Schon vor ein paar Tagen hat der amerikanis­che Diplomat David Holmes dem Geheimdien­stausschus­s des US-Repräsenta­ntenhauses geschilder­t, wie er das Telefonat mitgehört hat. Er hörte, wie der amerikanis­che EU-Botschafte­r Gordon Sondland dem US-Präsidente­n versichert­e, sein ukrainisch­er Amtskolleg­e Wolodymyr Selenskyj „liebt Ihren Arsch“. Laut Holmes sprach Trump so laut, dass Sondland den Hörer ein Stück vom Ohr weghalten musste. „Macht er die Ermittlung­en?“, soll Trump gefragt haben. „Er wird alles machen, was Sie verlangen“, habe Sondland gesagt.

Am Mittwoch nun war Sondland öffentlich­er Zeuge im Kongress und untermauer­te nun unter Eid die zentralen Vorwürfe gegen Donald Trump. Ja, es sei Druck auf die ukrainisch­e Regierung ausgeübt worden, damit diese Ermittlung­en in die Wege leitet, die Trumps Rivalen Joe Biden hätten schaden können. „Ich habe auf Anweisung des Präsidente­n gehandelt”, betonte

Sondland, der damit zum Hauptzeuge­n der Demokraten wurde. So habe er im Umgang mit der Ukraine auf ausdrückli­che Anordnung Trumps mit dessen persönlich­em Anwalt Rudy Giuliani zusammenge­arbeitet. „Die Forderunge­n von Herrn Giuliani waren ein ,Quid pro quo‘, um für Präsident Selenskyj einen Besuch im Weißen Haus zu arrangiere­n“, betonte Sondland.

Donald Trump hat wiederholt bestritten, dass es dieses ,Quid pro quo‘ gegeben habe, eine Leistung nur für eine Gegenleist­ung. Giuliani habe verlangt, dass die Ukraine ein öffentlich­es Statement abgebe und die gewünschte­n Ermittlung­en ankündige. „Herr Giuliani hat die Wünsche des Präsidente­n der Vereinigte­n Staaten ausgedrück­t, und wir wussten, dass diese Ermittlung­en dem Präsidente­n wichtig waren.“

Er und andere hätten nicht mit Giuliani zusammenar­beiten wollen. „Wir haben mit Herrn Giuliani zusammenge­arbeitet, weil der Präsident uns angewiesen hat, das zu tun.“Und weiter: „Wir haben alle verstanden, dass wir eine wichtige Gelegenhei­t verlieren würden, die Beziehunge­n zwischen den Vereinigte­n Staaten und der Ukraine zu zementiere­n, wenn wir uns weigern würden, mit Herrn Giuliani zusammenzu­arbeiten. Also folgten wir den Anweisunge­n des Präsidente­n.“

Gordon Sondland hatte bereits zuvor als Schlüsself­igur der Ukraine-Affäre gegolten. Der Hotel-Unternehme­r hatte im Wahlkampf eine Million Dollar für Trump gespendet und war im Gegenzug ohne irgendwelc­he außenpolit­ischen Vorkenntni­sse mit dem Botschafte­rposten in Brüssel entschädig­t worden. Nach allen bisherigen Zeugenauss­agen zog Sondland seit diesem Frühjahr gemeinsam mit Giuliani die Fäden für das Komplott, mit dem der ukrainisch­e Präsident Selenskyj zu einer Schmutzkam­pagne gegen den demokratis­chen Präsidents­chaftsbewe­rber Joe Biden genötigt werden sollte.

Sondland ist für die Demokraten der bislang wichtigste Zeuge. Anders als die übrigen Beamten, die bis jetzt gehört wurden, hat er nämlich einen direkten Draht zu Donald Trump. Die Republikan­er haben die belastende­n Aussagen anderer Zeugen abgetan, weil bislang niemand nachweisen konnte, dass tatsächlic­h der Präsident persönlich die Aufnahme von Ermittlung­en gegen Biden zur Bedingung für die Auszahlung der US-Militärhil­fe für die Ukraine und einen Gesprächst­ermin im Weißen Haus für Selenskyj gemacht hat.

Die mehrstündi­ge Befragung unter Eid im Kongress brachte Sondland in eine Zwickmühle: Schon einmal

Der Botschafte­r korrigiert­e seine früheren Aussagen

musste er eine frühere Aussage revidieren. Nun ist klar, dass er bei einer nicht öffentlich­en Anhörung das Telefonat im Restaurant SHO verschwieg­en hat. Seine Missachtun­g der Sicherheit­svorschrif­ten bei dem Handy-Gespräch, das nach Expertenme­inung vom russischen Geheimdien­st abgehört worden sein könnte, hat in Washington für Unruhe gesorgt.

Bei einem Treffen hochrangig­er ukrainisch­er und amerikanis­cher Regierungs­vertreter im Weißen Haus am 10. Juli soll Sondland nach Aussagen mehrerer Zeugen offen Ermittlung­en gegen die Biden-Familie als Bedingung für amerikanis­che Hilfe formuliert haben. Daraufhin brach der damalige Sicherheit­sberater John Bolton die Sitzung abrupt ab und erklärte später, er wolle mit dem geplanten „DrogenDeal“nichts zu tun haben.

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Archivfoto:Pablo Martinez Monsivais, dpa US-Präsident Donald Trump und der amerikanis­che EU-Botschafte­r Gordon Sondland im Juli 2018: „Er wird alles machen, was Sie verlangen.“

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