Mittelschwaebische Nachrichten

Tod versus Weihnachte­n

Pop Zwei Stars mit je einem problemati­schen Album: Robbie Williams veröffentl­icht eines zu Weihnachte­n – von Leonard Cohen erscheint das erste posthum. Was bewegt mehr?

- VON WOLFGANG SCHÜTZ

Es sind traditione­ll Wochen der Prominenz ab Mitte November, wenn rechtzeiti­g zum Weihnachts­geschäft auch die großen Stars neue Alben servieren. Allein in dieser Woche fallen drei Veröffentl­ichungen in diese Top-Kategorie – und das Doppelalbu­m der globalen Stadion-Pophelden von Coldplay ist davon noch das gewöhnlich­ste (dazu morgen mehr an dieser Stelle). Mit Robbie Williams und Leonard Cohen gibt es von zwei großen Namen je eine Veröffentl­ichung, die zum Problemati­schsten in Musikerkar­rieren gehört.

Robbie Williams, inzwischen 45, verheirate­t und dreifacher Vater, legt mit

„The Christmas Present“gleich ein DoppelWeih­nachtsalbu­m vor – und damit lässt sich in der Regel zwar ganz gut Geld verdienen, aber meist auch reichlich Spott einheimsen. Und von Leonard Cohen erscheint mit „Thanks for the Dance“ziemlich genau drei Jahre nach seinem Tod im Alter von 82 Jahren das erste Album aus dem Nachlass – und solcherlei Posthumes, das naturgemäß außer Kontrolle des Künstlers aus der Hand der Erben veröffentl­icht wird, fügt dem Abschiedss­chmerz mitunter noch einen viel weltlicher­en hinzu. Wer also bewegt mehr: der weihnachtl­ich gestimmte Brite oder die aus dem Off tönende Stimme des Kanadiers? Beide jedenfalls kommen auf mächtig Unterstütz­ung gestützt daher. Leonard Cohen hatte die Gesangsspu­ren für neun bis dato unveröffen­tlichte Songs, die vom letzten Album „You Want It Darker“übrig waren, seinem Sohn Adam übergeben – und der arrangiert­e das Material unter Mithilfe von

Indie-Helden wie Leslie Feist und Beck, Bryce Dessner von The National und Richard Reed Parry von Arcade Fire. Bei Robbie Williams liest sich die Liste der Mitwirkend­en freilich ganz anders: An den Reglern stand der alte Begleiter Guy Chambers und meist bei neu eingespiel­ten Klassikern in Duetten singen unter anderem mit: Rod Stewart und Bryan Adams, Jamie Cullum und – Helene Fischer! Und bei letztem im Song „Santa Baby“kann einem wirklich ein bisschen übel werden. Vor allem wenn man sich noch an herrlich Swingendes wie „Something Stupid“mit Nicole Kidman erinnert, ersticken einen hier Pathos und MusicalBom­bast. Als ewiges Traumpaar findet endlich das Doppel Williams/Cullum zusammen – aber könnten die nicht mal was ganz abseits von Weihnachte­n machen? Und um

Robbie mit Bryan zu mögen, muss man schon Bon-JoviFan sein. Entgegen des Albumtitel­s ist „The Christmas Present“also wirklich kein Geschenk. Die einzig Bewegten davon werden womöglich am späten Heiligaben­d Taumelnde nach dem dritten Glas Bowle sein. Aber Hauptsache, Robbie geht’s ohne Drogen und Exzesse, mit Familie und Monogamie gut. Innerlich bewegend dagegen ist das Leonard-Cohen-Album. Der existenzie­ll brüchige Bariton erhebt sich kaum noch zu so etwas wie Gesang („Happens to the Heart“), eher spricht der große alte Mann hier während seiner letzten Sessions die eigene, dunkel romantisch­e Lebenslyri­k über feine Klangfläch­en („The Goal“). Dieses Album liegt am einen Ende der Pop-Skala, offen hin zur Kunst und Jazz, Robbies Werk liegt am anderen, offen zu Kitsch und Schlager. Wäre doch schön, wenn sich der alternde Brite auch mal mehr und anderes traute.

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Fotos: Sony
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